Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 4/2020 des Transfermagazins „TRIOLOG. Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft in Ostbayern“ mit dem Schwerpunkt Krise und Chance. Der Hochschulverbund Transfer und Innovation Ostbayern (TRIO) ist ein Projekt der sechs ostbayerischen Hochschulen, an dem auch die Universität Passau beteiligt ist. Das Projekt wird aus dem Programm "Innovative Hochschule" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. TRIO sieht sich als Impulsgeber für Innovationen in Ostbayern. Ziel von TRIO ist es, Wissens- und Technologietransfer auszubauen und aktiv zu gestalten und den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in der Region zu verstärken.
Warum ist der Wissenstransfer von Hochschule in Wirtschaft und Gesellschaft und umgekehrt so wichtig?
Prof. Dr. Burkhard Freitag: Die Gesellschaft erwartet Erklärungen für komplexe Phänomene – die Corona-Krise ist ein Beispiel. Sie erwartet Voraussagen in wichtigen Fragen, etwa dem Klimawandel, und Impulse für Veränderungsprozesse. All das ist aber nur auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Analyse und mit Hilfe wissenschaftlicher Modelle möglich, die die gemachten Beobachtungen und Messungen einbeziehen und auf Grundlage erkannter Zusammenhänge systematisieren.
Die Wirtschaft muss sich stetig an geänderte Verhältnisse anpassen und will im Wettbewerb bestehen. Um die Weiter- bzw. Neuentwicklung von Produkten und Produktionsprozessen betreiben zu können, sind immer wieder Innovationen erforderlich. Wissens- und Technologietransfer bildet eine wichtige Grundlage dafür, auch im Hinblick beispielsweise auf eine umweltverträgliche Produktion, nachhaltige Produkte, humane Arbeitsbedingungen und den Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Ein Austausch über die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsziele in Wirtschaft und Gesellschaft kann die eigene Forschung bereichern.
Prof. Dr. Burkhard Freitag, wissenschaftlicher Leiter des Projekts TRIO
Der Wissens- und Technologietransfer bringt aber umgekehrt auch der Wissenschaft Vorteile. Ein Austausch über die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsziele in Wirtschaft und Gesellschaft kann die eigene Forschung bereichern. Forschung wird auch in Unternehmen betrieben und das oft in großem Maßstab, so dass eine Kooperation neue Möglichkeiten hinsichtlich Ressourcen, Datenanalyse, Evaluation etc. schaffen kann.
Wie kann Wissens- und Technologietransfer Innovation vorantreiben?
Freitag: Ohne eine fundierte Kommunikation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft/Gesellschaft wird es schwer, Innovationen rechtzeitig und wirksam zu initiieren. Daher müssen wir die ganze Palette von Informationsveranstaltungen und Workshops über die Bildung von Kooperationsnetzwerken zu konkreten Themen bis hin zum Einzelgespräch zwischen Unternehmerin oder Unternehmer und Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler ausschöpfen.
Prof. Dr. Burkhard Freitag leitet den Lehrstuhl für Informatik mit Schwerpunkt Informationsmanagement und das Institut für Informationssysteme und Softwaretechnik (IFIS) an der Universität Passau. Mit April 2021 geht er in Ruhestand. Professor Freitag war maßgeblich am Aufbau des Hochschulverbunds TRIO beteiligt. Seit Beginn des Projekts im Jahr 2018 hatte er die Position des wissenschaftlichen Leiters inne.
Wissenstransfer und Wissenschaftskommunikation wird inzwischen an allen Hochschulen und Unis gemacht. Was kann TRIO besser als jede einzelne Hochschule für sich?
Freitag: Eine Grundannahme des TRIO Projekts lautet, dass viele große Forschungs- und Entwicklungsthemen nur oder zumindest besser in Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen bearbeitet werden können. Dazu braucht es eine kritische Masse an Wissenschaftler/innen und ein breites Spektrum an Kompetenzen von den Natur- und Ingenieurwissenschaften bis hin zur Ethik. Die ostbayerischen Hochschulen gemeinsam können ein solches Umfeld bieten. Dazu kommt die gewinnbringende Unterschiedlichkeit unserer Hochschultypen, die hilft, den Bogen von der Praxis über die angewandte Forschung zur Grundlagenforschung zu spannen.
Wo sehen Sie besonderes Potenzial, die Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen noch weiter zu stärken und neue Projekte anzustoßen, besonders im Bereich Digitalisierung?
Prof. Dr. Tomas Sauer: Digitalisierung hat nach wie vor nichts an Relevanz verloren, auch wenn vielleicht gerade andere Themen präsenter sind. Alle Partnerhochschulen bauen gerade ihre Digitalisierungskompetenzen im weiten Sinne massiv aus, was das Transferpotential nur steigern kann. Dazu zählt natürlich auch und gerade das aktuelle Modethema der künstlichen Intelligenz.
Prof. Dr. Tomas Sauer
Wie lassen sich Strategien der Bildverarbeitung und Deep Learning verknüpfen?
Wie lassen sich Strategien der Bildverarbeitung und Deep Learning verknüpfen?
Prof. Dr. Tomas Sauer ist Inhaber des Lehrstuhls für Mathematik mit Schwerpunkt Digitale Bildverarbeitung. Darüber hinaus leitet er die Fraunhofer-Forschergruppe "Wissensbasierte Bildverarbeitung" an der Universität Passau sowie das Institut für Softwaresysteme in technischen Anwendungen der Informatik (FORWISS Passau).
Was hat TRIO in den vergangenen Jahren erreicht? Wo lagen besondere Herausforderungen?
Freitag: Die Verbundhochschulen haben mit TRIO eine funktionierende Zusammenarbeit etabliert mit dem Ziel, den Wissens- und Technologietransfer in Ostbayern effektiver, transparenter und koordinierter zu gestalten. Der Austausch mit der Wirtschaft wurde durch Unternehmensbesuche und eigene öffentliche Veranstaltungen intensiviert. Damit ist eine Grundlage für die systematische Ermittlung der Bedarfe der Wirtschaft gelegt worden. Es wurde ein „Forschungsscouting“ gestartet, um die wissenschaftlichen Leistungsangebote der Hochschulen zu erfassen und kennenzulernen. Zur Unterstützung des Abgleichs von Angebot und Nachfrage wissenschaftlicher Leistungen wird demnächst ein digitales „Transferportal“ zur Verfügung stehen. Es wurden Innovationsmethoden entwickelt und getestet, die nun genutzt werden können, um konkrete Kooperationen zu initiieren. TRIO hat digitale und analoge Instrumente zur Wissenschaftskommunikation entwickelt, unter anderem das Magazin TRIOLOG und die Jahreskonferenz TRIOKON, aber auch viele kleinere Formate. Es wurden Prozesse und Musterdokumente zwischen den TRIO Hochschulen abgestimmt, Infoblätter über Kooperationsmöglichkeiten erstellt.
Besonders freut es mich angesichts der Größe des Projekts und des breiten Spektrums an Aufgaben und Erwartungen, dass es gelungen ist, rasch eine Basis zur vertrauensvollen und zielführenden fach- und hochschulübergreifenden Diskussion über alle Aspekte des Projekts und seiner Umsetzung zu finden.
Welche Aufgaben für das TRIO Projekt sehen Sie für die kommenden Jahre?
Freitag: Wir wollen natürlich weiterhin unseren Projektplan gemäß Antrag und gemeinsamer Transferstrategie der TRIO Hochschulen umsetzen. Wir können und sollten schon jetzt Bilanz ziehen und einen Soll-Ist-Abgleich mit dem Antrag durchführen, um weiterhin die richtigen Prioritäten setzen zu können.
Ich plädiere dafür, dass das TRIO Projekt jetzt beginnt, die entwickelten Instrumente, Methoden und Verfahren selbst zu nutzen, um Erfahrungen mit der konkreten Anbahnung von Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft/Gesellschaft zu sammeln. Möglicherweise können neue thematische Netzwerke aufgebaut werden, in denen dauerhaft zu einem bestimmten Fokusthema gemeinsame Forschung und Entwicklung stattfindet. Der gerade entstehende KI Campus Ostbayern könnte eines dieser Netzwerke sein.
Und dann gibt es da noch die Option, eine Anschlussförderung zu beantragen, um unsere Ergebnisse verstetigen und neue Ziele anstreben zu können.
Herr Prof. Sauer, Sie haben im Januar die wissenschaftliche Leitung des Projektes übernommen. Was sind Ihre Beweggründe?
Sauer: Ich bin gefragt worden. Herr Freitag hat mit TRIO etwas ins Leben gerufen, das nur dann sinnvoll ist, wenn es über die Projektlaufzeit und auch nach seiner wohlverdienten Pensionierung nachhaltig weitergeführt wird. Und Transfer spielt für mich ja schon immer eine große Rolle, sei es durch die Leitung des FORWISS, den Kontakt zur Fraunhofer-Gesellschaft oder meine Tätigkeit als Transferbeauftragter während der Präsidentschaft von Herrn Freitag. Insofern bin ich dankbar für das Vertrauen, werde aber für diese neue Aufgabe erst einmal viel lernen müssen.
Was soll TRIO am Ende der Projektlaufzeit erreicht haben?
Sauer: Wie Herr Freitag bereits sagte, hat TRIO wie jedes Projekt erst einmal im Antrag definierte Ziele, die auf jeden Fall erreicht sein sollen. Darauf muss man natürlich primär hinarbeiten. Langfristig sollte es in nachhaltige kooperative Strukturen der beteiligten Hochschulen münden, in denen es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der beteiligten Institutionen möglich ist, Transferprojekte zu initiieren und durchzuführen und sich dabei auf das zu beschränken, was wir halt nun mal am besten können: die Wissenschaft.
Die Fragen stellte Nicola Jacobi.