"Philosophie ist für mich eine Methode zur Selbstverortung des Menschen in einer sich stetig verändernden Welt. Mich interessieren daher insbesondere ethische Fragen, die durch gesellschaftliche und politische Umwälzungsprozesse aufgeworfen werden und nach einer Neureflexion darauf verlangen, was gut und gerecht ist.
Mir ist es dabei wichtig, Vergangenheit und Gegenwart miteinander ins Gespräch zu bringen, um aus dieser Auseinandersetzung tragfähige Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Methodisch heißt dies, dass ich philosophiehistorische Studien und systematische Fragen nicht losgelöst voneinander behandle, sondern diese in ein konstruktives Wechselverhältnis setze. Die Themenfelder Digitalisierung und Migration sind dabei zentrale Schwerpunkte meiner Forschung. Ein verbindendes Element beider Bereiche ist das Thema Diversität.
In Zusammenhang mit neuen Technologien wäre hier algorithmische Diskriminierung ein Beispiel, also die Frage, wie Algorithmen mit menschlicher Vielfalt umgehen. Das fängt bereits da an, wo Daten erhoben werden. Welchen Ausschnitt der Welt bilden diese ab? Was wird über wen unter welchen Umständen gespeichert und was ist das Ergebnis der algorithmischen Bearbeitung? Hier haben wir es immer wieder mit Entscheidungen zu tun, die ethisch relevant sind.
Im Bereich der Migrationsethik untersuche ich, welche Rechte und Pflichten Menschen haben, die Grenzen überschreiten. Aber auch welche Rechte und Pflichten Staaten gegenüber Menschen haben, die aus- oder einwandern möchten. In meiner Dissertation habe ich zum Beispiel ausgehend von den Überlegungen Immanuel Kants zu Wanderungsbewegungen und dem Weltbürgerrecht eine Kantische Migrationstheorie entwickelt, die beide Aspekte betrachtet.
Die angewandte Ethik ist entstanden, da unsere Lebenswelt sehr komplex geworden ist und sich viele Fragen von enormer gesellschaftlicher Relevanz nicht mehr einzelwissenschaftlich bearbeiten lassen. Sie benötigen den interdisziplinären Austausch wie auch normative Orientierung. Die philosophische Ethik ist dabei eine wichtige Quelle für einen fundierten Dialog."
Mehr zur Forschung
Die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Reinhardt liegen im Bereich der Angewandten Ethik in der Algorithmenethik, der Ethik der Digitalisierung und KI sowie der Migrationsethik. Darüber hinaus verfolgt sie Forschungsinteressen in der Allgemeinen Ethik, der Politischen Philosophie und der Rechtsphilosophie.