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“Datenströme sind längst global, aber der Weg zu international abgestimmten Datenschutzregeln ist noch weit“

Mit dieser Herausforderung vor Augen reist Prof. Dr. Normann Witzleb für seinen Gastaufenthalt von Hongkong an die Universität Passau. Ein Austausch über Künstliche Intelligenz, Datenschutz weltweit und Häusermeere.

Das Häusermeer von Hong Kong. Foto: Colourbox

PICAIS Fellow Prof. Dr. Normann Witzleb.

Prof. Dr. Normann Witzleb. Foto: Privat. 

Als Associate Professor an der Chinese University of Hong Kong, wo er das Obligations Lab Asia leitet, und Adjunct Associate Professor an der Monash University in Melbourne (Australien) verfügt Prof. Dr. Normann Witzleb über umfassende Expertise auf den Gebieten des Datenschutzrechts, dem Deliktsrecht und der Rechtsvergleichung. Während seines Gastaufenthalts am Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS) im Juni und Juli 2023 forscht er am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht von Prof. Dr. Kai von Lewinski

Was hat Sie motiviert, den weiten Weg von Hongkong bzw. Melbourne nach Passau auf sich zu nehmen?

Die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Ich habe vor (allzu) langer Zeit mein Studium in Passau begonnen und die Stadt seitdem in bester Erinnerung. Eigentlich hat meine gesamte Karriere im angelsächsischen Rechtsraum seinen Ursprung in Passau, weil ich von hier als Austauschstudent nach London gegangen bin – und mich das Common Law in der Folge nicht mehr losgelassen hat. Dann war die Verbindung zu Passau etwas unterbrochen, bis ich als Prodekan für Internationales der Juristischen Fakultät an der Monash Universität wieder Passauer Kolleginnen und Kollegen und Studierende kennenlernte. Mit meinem Gastgeber, Herrn von Lewinski, teile ich nicht nur gemeinsame Forschungsinteressen, sondern auch die Erfahrung eines vorangegangenen gemeinsamen DAAD-Projekts. Das PICAIS Fellowship war der ideale Weg, die Verbindung nach Passau noch einmal zu intensivieren und neue Kontakte zu schließen.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie als Fellow in Passau aus?

Für mich bietet das Fellowship Programm die ideale Kombination aus Anbindung an Lehrstuhlaktivitäten und „langer Leine“. Für die meisten Forschenden in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist zusammenhängende Zeit, um herausgelöst vom normalen Unialltag den eigenen Projekten nachgehen zu können, das knappste Gut. Diese Zeit nutze ich hier. Passau zeichnet sich für mich durch ein freundliches Willkommen, einen interessanten und hochkarätigen Kollegenkreis, kurze Wege und gute fachliche und räumliche Ausstattung aus – und abends lockt nach getaner Arbeit der gelegentliche Ausflug in die Eisdiele oder den Biergarten.  

Der Schutz der Privatsphäre gewinnt in allen Weltgegenden an Bedeutung

Worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt am PICAIS? Was sind die Hauptziele ihres Forschungsprojekts?

Prof. Dr. Kai von Lewinksi und PICAIS Fellow Prof. Dr. Normann Witzleb.

Prof. Dr. Kai von Lewinski und Prof. Dr. Normann Witzleb. Foto: Privat.

Ich setze mich mit den datenschutzrechtlichen Aspekten der Anwendung Künstlicher Intelligenz auseinander. Datenströme sind längst global, aber der Weg zu international abgestimmten Datenschutzregeln ist noch weit. Die Gesetze und Gesetzesvorhaben der Europäischen Union sind in diesem Bereich weltweit einflussreich. Ich untersuche, inwieweit diese Regelungen auch in Rechtsordnungen wie im asiatisch-pazifischen Raum wie Australien und Hongkong, die gerade nach Orientierung suchen, für mögliche Reformen als Modell oder Bezugspunkt dienen könnten. Wie bei allen Rechtsvergleichen muss dabei natürlich auch daran gedacht werden, dass neue Gesetze nur dann funktionieren, wenn sie an lokale wirtschaftliche, politische oder kulturelle Besonderheiten angepasst sind.

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach der Schutz der Privatsphäre und der Daten im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, insbesondere in Bezug auf den asiatisch-pazifischen Raum?

Der Schutz der Privatsphäre gewinnt in allen Weltgegenden an Bedeutung. Das sehen wir daran, dass immer mehr Rechtsordnungen (nach jüngstem Stand mehr als 160) Datenschutzgesetze eingeführt haben. Wir alle merken, dass datenintensive Anwendungen aus der Wirtschaft, der Verwaltung und dem Privatleben nicht mehr wegzudenken sind. In Deutschland wurde Datenschutz immer schon ernst genommen. Früher haben viele Regierungen außerhalb Europas Datenschutzrechte eher als Wirtschaftshindernis angesehen und zu schwachen Regeln tendiert. Aber inzwischen stellen sie fest, dass Vertrauen in die Sicherheit sensibler Daten und in angemessene Datenschutzstandards hilft, für neue Anwendungen gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Das hilft damit auch der digitalen Wirtschaft.

Das Häusermeer von Passau. Blick von der Veste Oberhaus. Foto: Colourbox

Was sind einige kulturelle oder soziale Gewohnheiten, die Sie in Passau bzw. Bayern entdeckt haben und die Sie überrascht haben?

Es ist schön, als Besucher Passau wieder zu entdecken. Im Vergleich zu früher fällt mir auf, dass sich das Leben jetzt im Sommer noch mehr auf den Straßen und Plätzen abzuspielen scheint. Überall stehen Tische und Stühle, und die Passauerinnen und Passauer sowie die Gäste scheinen die Sonne und die Wärme in vollen Zügen zu genießen. Ich denke, die Stadt hat sich zum Positiven verändert. Sie ist bunter, lebhafter und lässiger geworden, zumindest ist das mein Eindruck nach ein paar Wochen hier.

Haben Sie einen Lieblingsort in Passau, den Sie nach ihrer Abreise vermissen werden?

Meiner Meinung nach lässt sich der Blick von der Veste Oberhaus über die ganze Altstadt nur schwer überbieten. Meine Familie habe ich mit der Flunkerei angelockt, dass Passau fast wie Hong Kong sei: es ist nie weit zum Wasser, man ist von Bergen umgeben, und hat immer wieder grandiose Ausblicke auf das Häusermeer.

Prof. Dr. Kai von Lewinski

Prof. Dr. Kai von Lewinski

forscht zur Kollision von Rechtsräumen beim Informationsaustausch

Was bedeutet das Internet für das räumlich begrenzte Rechtssystem?

Was bedeutet das Internet für das räumlich begrenzte Rechtssystem?

Prof. Dr. Kai von Lewinski ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht  und war Sprecher des DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 "Privatheit und Digitalisierung" an der Universität Passau. Vor seiner Zeit in Passau war er unter anderem wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Datenschutz in Leipzig. Am Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG Berlin) forschte er in einem Projekt zu „Global Privacy Governance“.

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