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Forscherin mit Leidenschaft für Südostasien

Eine Berlinerin, die nach Passau kam, um zu Südostasien zu forschen: Dr. Manuela Fritz erhält für ihre Dissertation zu den dortigen Folgen des Klimawandels für chronische Krankheiten den Kulturpreis Bayern.

Manuela Fritz ist gebürtige Berlinerin, aber von ihrem akademischen Werdegang her ein „Passauer Gewächs“, wie es ihr Promotionsbetreuer, der Entwicklungsökonom Prof. Dr. Michael Grimm, ausdrückt. Denn sie kam bereits für ihr Bachelorstudium nach Passau. Der Grund: „Das Angebot am Sprachenzentrum hat mich überzeugt.“ Bereits während ihres Bachelorstudiums der Kulturwirtschaft legte sie ihren Schwerpunkt auf Südostasien und lernte die indonesische Sprache. Es folgten Auslandsaufenthalte in Vietnam und Kambodscha. Die Faszination für die Region wuchs, ebenso wie der Wissensdrang, und so entschied sie sich für den Master Development Studies, der sich, genau wie der „Kuwi“, zu einer Passauer Marke entwickelt hat.

Während eines Auslandsaufenthalts in Indonesien entdeckte sie die Freude am Forschen. Für ihre Masterarbeit führte sie im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts eine Feldstudie durch, welche Maßnahmen Kleinbäuerinnen und -bauern in Indonesien dazu bewegen können, langfristig auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Es war ein glücklicher Zufall, dass am Lehrstuhl für Development Economics eine Doktoratsstelle ausgeschrieben war, die auf Fritz‘ Schwerpunkte im Master passte: „Für mich war das die natürliche Fortsetzung meines Studiums. Ich bekam die Chance, drei Jahre noch mehr zu lernen und mich noch weiter in die Materie einzuarbeiten.“

In ihrer Doppelpromotion im Rahmen des EU-Horizon-Projekts SUNI-SEA, die sie sowohl an der Universität Passau als auch an der niederländischen Universität Groningen absolvierte, konzentrierte sich Fritz auf gesundheitsökonomische Aspekte. Sie befasste sich mit der Prävention von nichtübertragbaren chronischen Krankheiten in Südostasien und den Folgen des Klimawandels für Patientinnen und Patienten, die etwa unter Diabetes und Herz-Kreislaufstörungen leiden. Diese Krankheiten breiten sich auch in Südostasien massiv aus. Mittlerweile können etwa 40 Prozent aller Sterbefälle chronischen Krankheiten zugeordnet werden. In Indonesien zählt Diabetes zur dritthäufigsten Todesursache. Getrieben wird das unter anderem durch immer weniger Bewegung, ungesundes Essen, Tabak- und Alkoholkonsum.

EU-Projekt SUNI-SEA: Kampf gegen "stille Killer" in Südostasien

EU-Projekt SUNI-SEA: Kampf gegen "stille Killer" in Südostasien

Bluthochdruck und Diabetes haben sich auch in Südostasien zu Volkskrankheiten entwickelt. Ein Team der Universität Passau beteiligt sich an dem EU-Projekt SUNI-SEA, das effektive Prävention massiv ausweiten will.

Klimawandel verschärft gesundheitliche Probleme

Fritz gibt in ihrer Dissertation zunächst einen Überblick über die aktuelle Situation. Sie trägt Maßnahmen zusammen, mit denen in Südostasien derzeit Risikofaktoren für diese Krankheiten bekämpft werden. In einer weiteren Studie weist sie nach, dass der Klimawandel für chronisch Kranke eine zusätzliche Belastung darstellt. Sie zeigt, dass an Tagen mit besonders hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit die Anzahl der Arztbesuche von Patientinnen und Patienten mit Diabetes, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen deutlich steigt:

Die Grafiken zeigen den Anstieg der Arztbesuche pro 100.000 Versicherungsnehmer mit Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen an Tagen mit einer gegebenen Durchschnittstemperatur (abzulesen auf der X-Achse) relativ zu einem Tag, an dem die Temperatur 25,5 bis 27 Grad beträgt.

Dazu verknüpfte sie Versicherungsdaten aus Indonesien mit meteorologischen Daten der NASA und konnte so nachverfolgen, wie sich das Wetter tagesgenau auf die Anzahl der Arztbesuche auswirkte. Basierend auf Vorhersagen des Temperaturanstiegs in den kommenden Jahren modellierte Fritz auch die ökonomischen Kosten, die auf die Länder zukommen könnten: „Allein in der Primärversorgung des Gesundheitssystems in Indonesien steigen diese um jährlich 4 Prozent. Das entspricht einer Summe von 32 Millionen US-Dollar“, sagt sie.

Die Corona-Pandemie bremste sie in ihrer Forschung kurzzeitig aus. Denn Reisen nach Indonesien für Untersuchungen vor Ort waren zu Beginn der Krise kaum möglich. Ein Rückschlag, für den sie gemeinsam mit ihrem Betreuer Grimm eine Lösung fand: Die Ökonomin führte eine Arbeit durch, die sich aus ihrem Passauer Büro heraus machen ließ. Sie analysierte, inwiefern Facebook-Kampagnen helfen können, um Risikopatientinnen und -patienten für Diabetes ausfindig zu machen. Das Ergebnis: Es handelt sich um einen kostengünstigen und effizienten Kanal. „Auf Basis der Studie können wir sagen, dass wir einen Fall, der normalerweise nicht diagnostiziert würde, für nur 9 Dollar entdecken können“, erklärt sie.

Mehrfach ausgezeichnete Dissertation

Dr. Manuela Fritz mit der Bronzestatue „Gedankenblitz“, dem Symbol für den Kulturpreis Bayern.

Dass sie nun unter anderem für diese Studie, die zunächst eine Verlegenheitslösung war, mehrfach ausgezeichnet wird, freut Fritz sehr: „Es ist fantastisch, wenn drei Jahre harte Arbeit so gewürdigt werden.“ Am Donnerstag, 16. November, hat ihr die Bayernwerk AG und das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst den Kulturpreis Bayern für ihre Dissertation verliehen. Bereits zuvor erhielt sie den Helmut-Schmalen-Preis der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau. Zwei der drei Artikel ihrer Dissertation sind in hochrangingen gesundheitsökonomischen Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht.

Stolz ist auch Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau, der die Arbeit zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Robert Lensink von der Universität Groningen betreute: „Chronische Krankheiten gehören schon jetzt im südostasiatischen Raum zu den häufigsten Todesursachen und kosten die Gesundheitssysteme der entsprechenden Länder Milliarden von Euro, die folglich nicht für andere drängende Probleme wie etwa Bildung, Ernährungssicherheit und Infrastruktur zur Verfügung stehen“, sagt der Entwicklungsökonom. „Es braucht kosteneffiziente Lösungen, die skalierbar sind. Zudem ist es wichtig zu verstehen, wie der Klimawandel die Herausforderungen durch chronische Krankheiten verändert. Manuela Fritz liefert in ihrer Arbeit für beide Aspekte wichtige neue Erkenntnisse.“

Klimawandel und mentale Gesundheit

Das Thema Gesundheit und Klimawandel treibt Manuela Fritz weiter um. „Tatsächlich hat mir das Doktorat so viel Freude bereitet, dass ich beschlossen habe, eine akademische Laufbahn einzuschlagen.“ Das sei zwar alles andere als einfach, da sie sich in der jetzigen Phase von Befristung zu Befristung hangeln müsse. Doch zumindest für die nächsten Jahre hat sie sich die Finanzierung gesichert: Derzeit ist sie als Post-Doc an der Universität Groningen tätig, wo sie die Forschungsarbeiten in dem EU-Horizon-Projekt SUNI-SEA noch zum Abschluss bringen wird.

Im Frühjahr 2024 geht es dann zurück nach Bayern, und zwar an die TU München. Fritz hat erfolgreich eine Förderung im Rahmen des Walter Benjamin-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben. Erneut wird sie sich mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels befassen. Dieses Mal legt sie den Schwerpunkt auf die mentale Gesundheit und auf Indien, das ebenfalls massiv betroffen von den erhöhten Temperaturen ist. Im Zusammenspiel mit der hohen Luftfeuchtigkeit ist absehbar, dass der Klimawandel Teile des Landes unbewohnbar machen wird.

Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics

Prof. Dr. Michael Grimm

forscht unter anderem zum technologischen Wandel in Entwicklungsländern

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Prof. Dr. Michael Grimm ist Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau, Leiter des Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS) und Projektleiter im DFG-Graduiertenkolleg 2720. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Entwicklungsökonomischen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik. Zuvor arbeitete der Ökonom unter anderem als  Professor für Applied Development Economics an der Erasmus Universität Rotterdam, als Gastprofessor an der Paris School of Economics sowie als Berater bei der Weltbank in Washington D.C., USA.

Über den Kulturpreis Bayern

Den Bayerischen Kulturpreis verleiht das Bayernwerk in Partnerschaft mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur. Die 33 Absolventinnen und Absolventen wurden jeweils von der Hochschule, Universität oder Kunsthochschule ausgewählt, an der sie ihre Abschlussarbeit eingereicht haben. Die ausgezeichneten wissenschaftlichen Abschlussarbeiten decken eine große Bandbreite ab: Von der Betriebswirtschaft über Medizintechnik, Klimaschutz, Energie und Wärme, Künstliche Intelligenz und Teilchenphysik bis hin zu Bauingenieurwesen und Psychologie.

Die Preisverleihung hat am Donnerstag, 16. November, in den Münchner Eisbachstudios stattgefunden. An diesem Abend erhielten auch ausgewählte Kunstschaffende die Bronzestatue „Gedankenblitz“, die Symbol für den Kulturpreis Bayern ist. In der Sparte Kunst ging die Auszeichnung an die Schriftstellerin Rita Falk, an die Hip-Hop-Band „dicht und ergreifend“, die Künstler und Kunstförderer Michaela und Bruno Wank, den Chefdirigenten der Bamberger Symphoniker Jakub Hrůša sowie die Künstlerin Adidal Abou-Chamat.

Pressemitteilung der Universität Passau und der Bayernwerk AG dazu

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