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Was es heißt, gut und gerecht zu handeln

Prof. Dr. Karoline Reinhardt spricht über das Themenfeld der Angewandten Ethik und ihre Forschung. Interview: Nicola Jacobi

Foto: Universität Passau

Womit beschäftigt sich die Angewandte Ethik?

Ziel meiner Forschung ist es, historische und systematische Perspektiven zusammenzubringen. Ich beschäftige mich damit herauszufinden, wie historische philosophische Ressourcen für die zahlreichen Problemlagen unserer Zeit fruchtbar gemacht werden können, um tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die Angewandte Ethik vermittelt zwischen Fundamentalethik und konkreten Falltypen.

Was sind Ihre Themenschwerpunkte?

Es sind vor allem drei Themen. Erstens die Migrationsethik, in der es um Fragen geht wie: Welche ethischen und moralischen Fragen werden durch grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen aufgeworfen und wie können wir damit umgehen? Menschen waren schon immer unterwegs und haben Grenzen überschritten, das Thema wurde auch schon immer philosophisch reflektiert. Auf dieses Wissen können wir zurückgreifen.

Zweitens Digitalisierung und KI: Da interessieren mich aktuell vor allem Fragen von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit. Ist Vertrauen ein guter Begriff, um unser Verhältnis zu diesen Technologien zu beschreiben? Wann sollten wir vertrauen? Sollten wir überhaupt vertrauen?

Drittens beschäftige ich mich mit dem Thema Heldenhaftigkeit. Was bedeutet das in der heutigen Zeit? Brauchen wir das noch? Wir erleben, dass es heutzutage viele Situationen gibt, die uns vor so große Herausforderungen stellen, dass es außergewöhnlich ist, wenn es jemand schafft, gut zu handeln. Gerade weil moralisches Handeln schwer ist.

Prof. Dr. Karoline Reinhardt im Portrait.

Foto: Universität Passau

Kurzportrait

Prof. Dr. Karoline Reinhardt ist seit dem Wintersemester 2022/23 Juniorprofessorin für Angewandte Ethik an der Universität Passau. Davor war sie unter anderem an der Universität Tübingen und an der Tulane University in New Orleans tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Ethik der Digitalisierung und KI sowie der Migrationsethik. Sie ist Mitglied der Ethikkommission der Universität Passau sowie Mitglied der Jungen Akademie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Im Oktober 2023 wurde sie für den Kant-Nachwuchspreis der Kant-Gesellschaft und der Fondazione Silvestro Marcucci nominiert.

Das sind alles sehr aktuelle Themen…

Ethik wird da auf den Plan gerufen, wo wir mit krisenhaften Situationen zu tun haben, wo neue Phänomene auftauchen, wo Traditionen und Autoritäten einen Vertrauensverlust erleben. Dann müssen wir erneut darüber nachdenken, was es eigentlich heißt, gut und gerecht zu handeln. Der Bereich Künstliche Intelligenz ist ein Beispiel dafür.

Ist da die Wissenschaft in der Verantwortung, mehr zu erklären und zu informieren?

Wissenschaftskommunikation ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen. Für mich heißt das aber Kommunikation in beide Richtungen. Die Ethik muss auch Fragestellungen aufgreifen, die aktuell in der Gesellschaft vorhanden sind. Es gibt beispielsweise zum Thema KI viel Interesse in der Bevölkerung: Wie und in welchem Umfang sollen wir diese Möglichkeiten einsetzen? Dürfen wir das? Sollen wir das? Hier geht es um Fragen der Rechtfertigung, die nicht nur für Personen, sondern auch für Technologien.

Dieser Beitrag stammt aus dem Campus Magazin (01/2024) 

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