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Auf dem Weg in ein multimobiles Zeitalter

Mobilität ist ein Megatrend. Jede und jeder von uns möchte und muss mobil sein. Wer nicht mobil ist, bleibt stehen. Auch das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft spielt dabei eine wichtige Rolle. Warum? Von Kira Britten


Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 5/2021 des Transfermagazins „TRIOLOG. Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft in Ostbayern“ mit dem Schwerpunkt "Mobilität". Der Hochschulverbund Transfer und Innovation Ostbayern (TRIO) ist ein Projekt der sechs ostbayerischen Hochschulen, an dem auch die Universität Passau beteiligt ist. Das Projekt wird aus dem Programm "Innovative Hochschule" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. TRIO sieht sich als Impulsgeber für Innovationen in Ostbayern. Ziel von TRIO ist es, Wissens- und Technologietransfer auszubauen und aktiv zu gestalten und den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in der Region zu verstärken. 


Die Welt des 21. Jahrhunderts verändert sich und mit ihr auch unsere Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse. Nachhaltig leben, umweltschonend fortbewegen, effizient handeln und flexibel arbeiten – das ist uns wichtig. Dabei möchten wir vor allem eins sein: mobil. Mobilität wird vom Zukunftsinstitut (Institut für Trend- und Zukunftsforschung) als Megatrend bezeichnet. Es widmet dem Thema ein ganzes Dossier: „Was wir erleben, ist eine Evolution der Mobilität. Wir stehen am Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters.“ Das Phänomen sei andauernd, global, facettenreich und allgegenwertig spürbar – so werden Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Bildung von Mobilität beeinflusst. Motor der Mobilität sind Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung.

Aber was genau ist Mobilität? Woher kommt der Begriff und wie hat er sich entwickelt? Womit beschäftigt sich die Mobilitätsforschung? Für welche Akteure spielt das Thema eine Rolle und was sind aktuelle Trends? 

Begriff und Entwicklung

Mobilitas ist das lateinische Wort für Beweglichkeit, im engeren Sinne das Vermögen, sich räumlich und physisch zu bewegen. Lange Zeit wurde Mobilität mit dieser Bedeutung eher eindimensional begriffen, teilweise war nur die adjektivische Form mobil für beweglich im Deutschen vertreten. Diese bezog sich beispielsweise in Kriegsphasen auf besonders agile Truppen. Erstmalig von diesem Gedanken abstrahiert wurde der Begriff in den 1950er Jahren, um veränderte Bevölkerungszahlen in Folge von Emigration und Binnenwanderung zu beschreiben. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts erhielt der Begriff ein breiteres Verständnis. So definiert die Brockhaus Enzyklopädie Mobilität heute als „sozialwissenschaftliche[n] Begriff, der Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch und in andere Fachsprachen (z. B. Verkehrswissenschaft, Städteplanung, Psychologie, Volkswirtschaftslehre, Touristik) gefunden hat.“

Motor der Mobilität sind Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung.

Mobilität ist mehr als Verkehr

Im Alltag wird Mobilität primär mit Fortbewegungsmitteln wie Bus, Bahn, Automobil oder Fahrrad in Verbindung gebracht. Mobilität bedeutet allerdings mehr als nur Verkehr. Während Mobilität ein menschliches Grundbedürfnis ist, das jedem individuell und am besten grenzenlos zur Verfügung stehen soll, muss Verkehr ein Mittel für diesen Zweck sein. Konkret wird der Personen- und Güterverkehr dabei in Wegen (Verkehrsaufkommen) sowie in Personen- oder Tonnenkilometer (Verkehrsleistung) gemessen. Verkehr ist außerdem Teil der realisierten Mobilität, also der tatsächlich vollzogenen Beweglichkeit, um Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen. Sie grenzt sich ab von der potenziellen Mobilität. So können knappe finanzielle Ressourcen beispielsweise dazu führen, dass Möglichkeiten der Mobilität zwar vorhanden, aber nicht allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zugänglich sind.

Dimensionen der Mobilität

In der Wissenschaft wird der Begriff Mobilität in Einzelaspekte gegliedert und interdisziplinär aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. So erfolgt eine weitere Differenzierung in räumliche und soziale Mobilität ­– Bereiche, die sich ihrerseits wiederum unterteilen lassen. Als räumliche (oder territoriale) Mobilität wird die Bewegung von Personen und Gütern im geografischen Raum beschrieben. Hierzu gehören einerseits die kurzfristige Alltagsmobilität, aber auch längerfristig betrachtet Wohnmobilität. Diese beiden Bereiche beeinflussen sich teilweise, wenn zum Beispiel der Wohnstandort so gewählt ist, dass eine gute Infrastruktur einen schnellen Arbeitsweg im Alltag bewirkt. Typische Untersuchungsgegenstände der Forschung sind hier Migrationsprozesse, Verkehrsentwicklung sowie die Wahl von Verkehrsmitteln und deren soziale, ökologische und ökonomische Kosten.

Digitalisierung und Globalisierung haben eine neue Dimension hervorgerufen: die informationelle oder virtuelle Mobilität.

Titelbild des Magazins TRIOLOG zum Schwerpunkt Mobilität. Graphik: Sandra Hermannsen 

Im soziologischen Kontext meint Mobilität die Überwindung sozialer Distanzen. Dabei geht es einerseits um Fragen des sozialen Auf- und Abstiegs – im Vergleich zur Elterngeneration oder innerhalb des eigenen Lebensverlaufs. Andererseits meint soziale Mobilität auch einen möglichen Berufswechsel innerhalb einer sozialen Schicht. In diesem Zusammenhang widmet sich die Mobilitätsforschung zum Beispiel den ungleichen Lebensverhältnissen zwischen Ost- und Westdeutschland oder dem Thema der Geschlechtergerechtigkeit.

Zuletzt haben Digitalisierung und Globalisierung eine weitere Dimension hervorgerufen: die informationelle oder virtuelle Mobilität. Informationen sind in dem Sinne mobil, als dass sie nahezu zeitgleich und ortsunabhängig an beliebige Personen übermittelt und von ihnen empfangen werden können. In diesem Zusammenhang wird oft der englische Begriff der „mobilities“ verwendet.

Greift man sich das Thema räumliche Mobilität heraus, begegnet man vor allem auf den folgenden Themenbereichen:

Smarter Verkehr

Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Individualverkehr (Zufußgehen, Fahrradfahren, Kraftfahrzeuge) und öffentlichem Verkehr (für jeden zugängliche Verkehrsmittel auf Straße, Schiene und in der Luft), sagt eine Studie des Zukunftsinstitut („Die Evolution der Mobilität“, 2017).

Multimodale Mobilitätskonzepte werden entwickelt, um den steigenden Anforderungen der Gesellschaft zu begegnen. Immer stärker wird entlang von Mobilitätsketten gedacht, bei denen mehrere Verkehrsmittel für einen Weg genutzt werden, um eine größtmögliche Effizienz zu erreichen. Insbesondere im öffentlichen Verkehr ergänzen verstärkt neue Mobilitätsformen wie Car- und Bikesharing die herkömmlichen Verkehrsmittel. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), wie zum Beispiel Apps, die Verkehrsoptionen vergleichen und eine bestmögliche Kombination vorschlagen, sollen dieses erweiterte Angebot smart optimieren. Das Schlagwort heißt Smart Mobility.

Mobil auf dem Land

Trends wie Smart Mobility zeigen, dass besonders die Digitalisierung Lösungen für den erhöhten Mobilitätsbedarf bietet, allerdings konzentrieren sich diese oft nur auf die Städte. Seit Jahren ist das Stadt-Land-Gefälle groß, denn die Urbanisierung trifft ländliche Gebiete in nahezu allen Lebensbereichen: Es fehlt an Arbeitsplätzen, Grundversorgung und medizinischer Versorgung, Bildungseinrichtungen und Freizeitangeboten – aber auch Alternativen zum Individualverkehr. Hier setzen Initiativen wie das vom Land Bayern geförderte Projekt Digitale Dörfer an, die ländliche Regionen zukunftsfähig und mobil machen sollen.

An einer Ladesäule hängt ein weißes Elektroauto zum Tanken.

Elektromobilität und alternative Antriebssysteme

Kaum ein Thema ist derzeit so hoch im Kurs wie E-Mobilität. Emissionsfreie Elektrofahrzeuge gelten als Schlüssel nachhaltiger Mobilität und zeigen den Megatrend auf den Straßen. Denn im Unterschied zu den endlichen fossilen Kraftstoffen Benzin und Diesel gilt der regenerative Elektroantrieb als effizient, umweltfreundlich und sparsam. Politische Fördermaßnahmen wie die CO2-Bepreisung oder der Ausbau der Ladeinfrastruktur sollen dazu führen, dass bis 2030 sieben bis 10,5 Millionen solcher Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind. Auch in Unternehmen spielen die batteriebetriebenen E-Autos eine große Rolle, vor allem die Automobilbranche investiert in konkrete Forschung dazu. Darüber hinaus wird in weiteren Bereichen geforscht, etwa an langlebigeren Batterien oder an Wasserstoff getriebenen Fahrzeugen.

Autonomes Fahren

Neben der E-Mobilität steht ein weiteres Thema im Fokus: das autonome Fahren, eine komplexe Technologie, die vollständig ohne Fahrzeugführerin oder Fahrzeugführer auskommt. Bis sich diese Entwicklung jedoch etablieren wird, dauert es laut Expertinnen und Experten noch einige Jahre – ab 2040 heißt es in einer Auftragsstudie des ADAC. Allerdings sind teilautonome Systeme bereits recht verbreitet. Fahrzeuge werden je nach Automatisierungsgrad fünf Levels zugeordnet, deren Grenzen teils fließend sind: assistiertes Fahren, teilautomatisiertes Fahren, hochautomatisiertes Fahren, vollautomatisiertes Fahren und zuletzt autonomes Fahren. Stufe für Stufe verwandeln sich die Fahrenden in Passagiere, die immer weniger intervenieren müssen und die Fahrt flexibel mit anderen Dingen, wie zum Beispiel Arbeiten, verbringen können. Eine der größten Herausforderungen ist die Wahrnehmung, die das Auto innerhalb kürzester Zeit verarbeiten und in eine konkrete Aktion umsetzen muss.

Eine blonde Frau in weißer Bluse sitzt an einem Tisch und schaut auf ein Laptop, auf dem Teilnehmende einer Video-Konferenz zu sehen sind.

Mobilität in Unternehmen

Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht: Flexibles Arbeiten unabhängig von Ort und Zeit ist wichtig und wird die zukünftige Arbeitswelt maßgeblich verändern. Viele große Unternehmen sehen starkes Potenzial in der Krise, stellen auf Heimarbeitsplätze um oder bauen neuartige Workspaces zum Beispiel ohne festen Arbeitsplatz auf. Ein Recht auf Home-Office besteht nach derzeitiger Gesetzeslage allerdings nicht, sodass diese Entscheidung der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber überlassen bleibt.

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