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Mehr Jugend wagen

Mit der „Konferenz zur Zukunft Europas“ startet die EU einen ehrgeizigen Reformprozess mit Hilfe von Bürgerbeteiligung. Auf einem digitalen Panel der Universitäten Passau und Magdeburg stellten sich EU-Politikerinnen und -Politiker den Fragen von Studierenden aus ganz Europa. Von Kathrin Haimerl

Aus dem Eliteprojekt soll das vielzitierte Europa der Bürgerinnen und Bürger werden: Vier Jahre ist es her, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Neubegründung eines „souveränen“ Europas als Antwort auf die Herausforderungen durch Globalisierung, Brexit und Populismus ausgerufen hat. Viele Verhandlungen und eine weitere Herausforderung in Form einer Pandemie später ist am diesjährigen Europatag das Projekt „Konferenz zur Zukunft Europas“ gestartet. Die EU-Institutionen wollen mit den Reformideen der Bürgerinnen und Bürgern Europas Demokratie für die Zukunft wappnen. Im Zentrum stehen dabei eine digitale Plattform, auf der sich Interessierte anmelden und einbringen können, sowie Bürgerforen, in denen die Stimme der jungen Generation ein besonderes Gewicht haben wird.

Die Universität Passau und die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben das zum Anlass genommen, um gemeinsam mit der Union Europäischer Föderalisten und der Spinelli-Gruppe im Europäischen Parlament Studierende, Abgeordnete sowie Expertinnen und Experten europaweit digital zusammenzubringen. „Wir wollen den Prozess kritisch begleiten und so aktiv zur Debatte über die künftige Ausrichtung der europäischen Demokratie beitragen“, sagte Prof. Dr. Daniel Göler, der mit seinem Team am Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europäische Politik schwerpunktmäßig zur demokratischen Legimitation der Europäischen Union forscht und damit den Forschungsschwerpunkt „Europa und globaler Wandel“ der Universität Passau stärkt. Gemeinsam mit Eva Heidbreder, Professorin für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt „Regieren im europäischen Mehrebenensystem“ an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg, begrüßte er die 76 Teilnehmenden zum Zoom-Webinar.

Screenshot der Panelists der Diskussionsveranstaltung zur Konferenz zur Zukunft Europas

Die Panelists und das Organisations-Team der Online-Diskussion zum Thema „What Future for European Democracy?“: Prof. Dr. Daniel Göler, Julia Klein, Prof. Dr. Eva Heidbreder, Carmen Descamps, Danuta Hübner, Ivo Belet, Daniel Freund, Gabriele Bischoff.

Kombination aus repräsentativen und partizipativen Elementen

Zugeschaltet aus Straßburg, wo derzeit Sitzungswoche ist, war die Europaabgeordnete Gaby Bischoff, Mitglied der S&D-Fraktion. Sie sitzt auch in dem neu konstituierten Plenum der Zukunftskonferenz, das Bürgerinnen und Bürger mit Vertreterinnen und Vertretern aller EU-Institutionen zusammenbringt. Im September sollen vier Bürgerforen mit je 235 zufällig ausgelosten Personen tagen, berichtete sie: „Das wird kein Projekt der Eliten mehr sein. Wir haben nun die Gelegenheit, die europäische Demokratie anders aufzustellen mit einer Kombination aus repräsentativen und partizipativen Elemente.“ 

Wie stellen Politikerinnen und Politiker sicher, dass die Stimme der Jugend auf europäischer Ebene zum Mainstream wird, wurde aus dem Publikum gefragt. Es antwortete Grünen-Europaparlamentarier Daniel Freund, der mit unter 40 Jahren jüngstes Panel-Mitglied war. Man sei sich bewusst, dass Europa ein alternder Kontinent und die Stimme der Jugend unterrepräsentiert sei, merkte er kritisch an. Dies sei in der Zukunftskonferenz berücksichtigt: „Die 16- bis 25-Jährigen sind in den Bürgerforen überrepräsentiert, sie sollen auch für Kinder und Jugendliche sprechen. Es ist uns wichtig, dass die Ideen der jungen Generation gehört werden und ihre Vorschläge diskutiert werden.“

Jede Generation hat das Recht und die Pflicht, sich zu fragen, wofür Europa steht.“

Europaparlamentarierin Danuta Hübner

Ivo Belet, stellvertretender Kabinettchef im Team der EU-Kommissarin Dubravka Šuica, zuständig für Demokratie und Demographie, verriet: „Die junge Generation macht in den Bürgerforen einen Anteil von einem Drittel aus. Das war ein höchst umstrittener, aber auch sehr wichtiger Aspekt.“

Danuta Hübner, Mitglied der EVP-Fraktion im Europaparlament und ehemalige Handelskommissarin, ergänzte: „Jede Generation hat das Recht und die Pflicht, sich zu fragen, wofür Europa steht.“ Sie verteidigte die Zukunftskonferenz gegen Kritik aus dem Publikum, wonach der Prozess EU-feindliche Stimmen ausschließe: „Warum sollen wir Personen einladen, die Europa zerstören wollen?“ Man verlange von den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern ein Bekenntnis, sich nicht mit destruktiver Absicht einzubringen. Das komme auch in der gemeinsamen Erklärung zur Zukunftskonferenz zum Ausdruck. 

Forderung nach konkreten Reformen

Der S&D-Europarlamentarier und Präsident der Spinelli-Gruppe, Brando Benifei, betonte in seinem Impulsvortrag, wie wichtig der bürgernahe Dialog gerade in Zeiten immer komplexer werdender Krisen sei. Der Renew-Europe-Abgeordnete Sandro Gozi, Präsident der Union der Europäischen Föderalisten, drängte in seinem Impuls darauf, dass dieser Dialog auch in konkrete Reformvorhaben münden müsse. „Die große Frage lautet: Was müssen wir nach dem Ende der Konferenz tun?“ Er forderte, diese Frage ohne Tabus anzugehen. Dazu gehörten auch Änderungen der EU-Verträge. Ein Streitpunkt, den die EU-Mitgliedsländer ablehnen.

Moderatorin Carmen Descamps wollte per Umfrage vom Publikum wissen, welche Themen der Zukunftskonferenz es für die wichtigsten halte. Dabei landete „Demokratie in Europa“ mit 62 Prozent auf Platz Eins, dicht gefolgt von „Klimawandel und Umwelt“ sowie „Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit“. Das Publikum spiegelte damit das derzeitige Meinungsbild auf der Online-Plattform der Zukunftskonferenz wider. 

Studierende von 24 Universitäten aus ganz Europa

An dem Panel beteiligten sich Studierende von 24 Universitäten aus ganz Europa, darunter die Andràssy Universität in Budapest, die Comenius Universität in Bratislava, die University of Economics and Business in Prag sowie die Universitäten Antwerpen, Innsbruck und Ljubljana. Weitere beteiligte Universitäten in Deutschland waren Duisburg-Essen, Paderborn und die Frankfurter Viadrina Universität. 

„Es ist sehr wichtig, dass die Universitäten uns in diesem neuartigen öffentlichen Dialog begleiten“, sagte die langjährige Europaparlamentarierin Hübner. „Bitte bleiben Sie bei uns bis zum Ende des Prozesses.“

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