Zwei Tage nach der Vereidigung Donalds Trumps als 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika diskutierten am 22. Januar 2025 beim „Round Table on EU Foreign Policy“ Dr. Anton Hofreiter, Mitglied des Deutschen Bundestags und Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der EU, aus deutscher, Florence Ertel, Geschäftsführerin des Science Hub for Europe an der Universität Passau, aus französischer und Martina Beránková, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Prag, aus tschechischer Perspektive über die Folgen seiner zweiten Amtszeit für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.
Die von Julian Plottka für den Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europäische Politik und Florence Ertel für den Science Hub for Europe organisierte Veranstaltung mit dem Titel „Trump 2.0: Wirklich ein Weckruf für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU?“ zielte drauf, die deutsche Sicht auf die aktuelle Debatte kritisch mit der französischen und tschechischen Perspektive zu kontrastieren. Den mehr als 250 Teilnehmenden, die der Einladung in die Universität Passau gefolgt waren, bot sie zudem einen Einblick in die hiesige Forschung zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). So unterstrich die Vizepräsidentin für Internationales, Europa und Diversity der Universität Passau, Prof. Dr. Christina Hansen, in ihrer Begrüßung die Bedeutung des Themenschwerpunkts Europa für die gesamte Universität. Diese biete öffentlichen Diskussionsraum für alle Interessierten und für die zahlreichen Studierenden im Publikum eine praxisorientierte Bereicherung der universitären Lehre.
Die nationalen Regierungen sind die Bremsen der GSVP

Moderator Julian Plottka (zweiter von links) mit den Panel-Teilnehmenden Martina Beránková, Anton Hofreiter und Florence Ertel.
Die Diskussionsrunde eröffnete Plottka als Moderator mit der Frage an Hofreiter, ob es in Brüssel inzwischen Lösungen gebe, wie die vielfach geforderte Stärkung der GSVP zu erreichen sei. Darauf gebe es bisher keine umfassende Antwort, so Hofreiter, allerdings sei „weniger Brüssel, sondern die Hauptstädte das Problem“. Diese täten sich schwer, adäquat zu agieren, vor allem Deutschland, von dem eine Führungsrolle erwartet werde, werde dieser nicht gerecht. Die Deutschen täten „immer, als wenn wir Österreich wären, aber wir sind halt nicht Österreich.“
„Ein agiles, starkes, handlungsfähiges Europa ist ein großer Faktor für Prag“, erklärte Beránková die Erwartungen der tschechischen Regierung an die zukünftige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. So gebe es durchaus die Hoffnung, dass der Druck der neuen Trump-Administration auf die europäischen Partnerstaaten helfen könnte, die von Hofreiter beschriebenen Hürden zu überwinden. Ertel legte dar, dass der französische Präsident Emmanuel Macron angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und den geopolitischen Folgen für die EU zwar nicht mehr seine frühere Diagnose teile, dass die NATO hirntot sei. Er betone jedoch weiterhin, dass die EU über eine starke von der NATO unabhängige Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfügen müsse.
Keine Erwartungen an Trump, enttäuschte Erwartungen an Biden
Die an die neue Trump-Administration gerichteten Erwartungen sind in allen drei Ländern nicht allzu groß. Positiv wird allein ein möglicher Ruck bewertet, der angesichts des drohenden Endes US-amerikanischer Unterstützung für Europa durch die europäischen Hauptstädte gehen könnte. Dieser spielte vor allem der französischen Forderung nach strategischer Souveränität der EU in die Karten, so Ertel. Frankreichs Erwartungen an die USA seien stets zurückhaltend gewesen, gleichzeitig war die Beziehung von Macron und Trump in dessen erster Amtszeit ambivalent. Derzeit könne man beobachten, dass sich der französische Präsident um gute diplomatische Beziehungen zu Trump bemühe und sich als Schlüsselfigur in den EU-US-Beziehungen inszeniere.
Sowohl Hofreiter als auch Beránková zeigten sich zugleich kritisch in ihrer Bewertung, der gerade geendeten Präsidentschaft Joe Bidens. Auch wenn die transatlantischen Beziehungen atmosphärisch besser waren, als sie es in den nächsten vier Jahren sein werden, so blieb die Hilfe für die Ukraine doch deutlich hinter den Erwartungen und Fähigkeiten der USA zurück. Hofreiter legte dar, wie zurückhaltend die Biden-Administration bei der Freigabe von Waffenlieferungen war, obwohl die US-Armee über ausreichende Reserven verfüge.
Große Hoffnungen in die EU-Außenbeauftragte und den neuen EU-Verteidigungskommissar
Auf Plottkas Frage, ob etwa die Europäische Kommission positive Entwicklungen anstoßen könne, hob Hofreiter hervor, wie fähig der neue Verteidigungskommissar Andrius Kubilius und die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas seien. Er hoffe, dass die EU strategischer agiere, vor allem gegenüber Russland: „Kurzfristig ist Russland die größte Herausforderung für unsere Sicherheit, langfristig China“. Brüssel habe allerdings nicht ausreichend finanzielle Mittel für die notwendigen Investitionen in die europäische Sicherheit. Die Mitgliedstaaten verfügten zwar über diese oder seien aber nicht bereit, mehr zu investieren.
Ertel legte dar, dass Frankreich in der Debatte vor allem seine starke Rüstungsindustrie fördern bzw. schützen wolle. Gleichzeitig favorisiere die französische Regierung in gaullistischer Tradition eine intergouvernementale europäische Verteidigungspolitik, um „europäische Interessen im Sinne des Nationalen durchzusetzen“. Eine Supranationalisierung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde in Paris abgelehnt, weil der Einflussverlust gefürchtet werde.
Laut Beránková sei die tschechische Regierung ebenfalls skeptisch gegenüber einer supranationalen Lösung in der GSVP. Deren Einführung erfordere erst einmal Einstimmigkeit und speziell vom ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán drohe hier eine Blockade. Prags Ziel sei es, die Ukraine so schnell und so umfassend wie möglich zu unterstützen, deshalb sei Tschechien „offen für eine pragmatische Lösung“. Zugleich erhoffe man sich von der EU auch einen starken Partner im Binnenmarkt, damit sich tschechische Rüstungsunternehmen etablieren könnten.
Den Sichtweisen anderer Mitgliedstaaten aufgeschlossener gegenüber sein
Unabhängig von dem Weg, der zur Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eigeschlagen werden soll – ob supranational oder intergouvernemental – das Ziel kann derzeit nur im Konsens aller Mitgliedstaaten erreicht werden. Dies setzt ein besseres gegenseitiges Verständnis der unterschiedlichen nationalen Perspektiven voraus. Während viele Mitgliedstaaten, wie die Tschechische Republik, die deutschen Diskussionen genau verfolgen, ist die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland den Interessen und Sichtweisen der Partnerstaaten gegenüber oftmals ignorant. Dies muss sich ändern, wenn die kommende Bundesregierung erfolgreich Europapolitik betreiben möchte. Dazu bedarf auch mehr Austauschformate, wie den „Round Table on EU Foreign Policy.“
Text: Pia Stock

Das Organisationsteam mit den Panel-Teilnehmenden (von links): Kateryna Pivnenko und Julian Plottka vom Jean-Monnet Lehrstuhl für Europäische Politik, Martina Beránková von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Prag, Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der EU, Prof. Dr. Christina Hansen, Vizepräsidentin für Internationales und Diversity, Florence Ertel und Jan Keusemann vom Science Hub for Europe.