Zeitzeugen können wir dazu nicht mehr befragen, aber es gibt andere Zeugnisse der Zeit, die uns die Vergangenheit näherbringen.
Studentin über ihre Arbeit auf dem digitalen Uni-Museum
Zum Beispiel Immatrikulationsbücher, Notenregister, Semestral-Zeugnisse. Anhand dieser Dokumente haben heutige Studierende das Leben von Paul Esterl nachgezeichnet, der sich in Passau vor 185 Jahren für ein Theologiestudium eingeschrieben hat. Die Erkenntnisse sind inzwischen online abrufbar, ebenso wie die Digitalisate der Original-Quellen.
Diese und weitere Geschichten aus der Historie der Universität Passau finden sich im digitalen Uni-Museum, das im Rahmen eines Lehrprojekts mit Quellen aus dem Universitätsarchiv entstanden ist. „Die Studierenden haben bei uns das nötige Handwerkszeug sowohl für historische Quellenarbeit als auch für die digitale Erschließung dieser Quellen erhalten“, sagt Prof. Dr. Malte Rehbein, Inhaber des Lehrstuhls für Digital Humanities, der das Projekt gemeinsam mit Universitätsarchivar Mario Puhane vor zweieinhalb Jahren initiiert hat. Kuratiert wurde das Digitale Uni-Museum von Dr. Andrea Schilz, die auch die Umsetzung mit den Studierenden leitete. Sebastian Gassner optimierte den Internet-Auftritt in informationstechnischer Hinsicht. In der Plattform, die zum 40. Jahrestag der Universität online geht, steckt die Arbeit aus fünf Semestern und elf Kursen.
Die heutige Universität feiert zwar in diesem Jahr erst ihr 40. Jubiläum. Die Hochschultradition in Passau geht allerdings zurück ins 17. Jahrhundert – auf einen Fürstbischof, der mit Hilfe eines Jesuitenkollegs reformatorischen Bestrebungen entgegenwirken wollte. Das digitale Uni-Museum bildet jedoch nicht die vollständige Geschichte ab, es zeigt gezielt aufbereitete Ausschnitte. In der Datenbank lagert digital nur ein kleiner Bruchteil der tatsächlich an der Universität vorhandenen Dokumente. Puhane schätzt, dass weniger als ein Prozent digital erfasst und online zugänglich ist.
Ältestes Digitalisat aus dem Jahr 1786, jüngstes aus dem Jahr 2018
Dafür sind darunter richtige „Sahnestücke“, wie Puhane sagt. Bei einem der ältesten Digitalisate handelt es sich um die Säkularisationsliste aus dem Jahr 1803 – für Archivarinnen und Archivare ein ganz besonders Dokument (zur Transkription).
Denn die Liste gibt vollständige Auskunft über den Bestand eines Hochschulgebäudes zum Ende des 18. Jahrhunderts, in dem speziellen Fall über den Vorgängerbau des heutigen Gebäudes Katholische Theologie in der Michaeligasse 13. Das jüngste Dokument im Uni-Museum stammt aus dem Jubiläumsjahr 2018: Es handelt sich um einen Screenshot der Universitäts-Homepage.
Studierende fakultätsübergreifend beteiligt
Das Besondere an dem Projekt: Insgesamt wirkten 42 Studierende fakultätsübergreifend mit. Die Studierenden kamen aus den Bachelor-Studiengängen European Studies (Major), Historische Kulturwissenschaften, Internet Computing, Medien und Kommunikation sowie Sprach- und Textwissenschaften und aus den Master-Studiengängen European Studies und Geschichte. Die Kurse kombinierten die historische Quellenarbeit mit den Methoden der Digital Humanities. Das heißt, die Studierenden lernten, wie diese Quellen als digitale Daten aufbereitet werden müssen, damit sie maschinell weiterverarbeitet werden können.
Universitätsarchivar Mario Puhane und Kuratorin Dr. Andrea Schilz sichten die Original-Quellen zum Studentenleben von Paul Esterl.
Digitalisate sind mehr als die eingescannte Version eines Dokuments oder nur ein schöner Ausschnitt. Sie müssen das Original-Dokument vollständig abbilden inklusive Farbabgleich. Hinzu kommen noch weitere Punkte wie das Erfassen der Meta-Daten: Die Studierenden bearbeiteten die Digitalisate entsprechend der Vorgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft, damit das im Uni-Museum vorhandene Depot auch für computerbasierte Verfahren genutzt werden kann.
Interaktive Karte zum Studentenleben im 19. Jahrhundert
Aufgabe der Studierenden war es darüber hinaus, ausgewählte Digitalisate einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Studierenden konzipierten unter Anleitung Online-Ausstellungen und überlegten sich geeignete Formate, wie beispielsweise eine interaktive Karte, die zeigt, wo die Studierenden im Passau des 19. Jahrhunderts wohnten: überwiegend in der Altstadt und der Innstadt, manche auch in einer Art Studenten-WG.
Paul Esterl selbst logierte wohl bei der Witwe eines Kramers: "Er wohnte dabei sozusagen 'fußläufig zur Hochschule', an der Adresse 'Ort 64' im Klosterwinkel. Mit warmen Mahlzeiten versorgte ihn möglicherweise die Witwe eines Gerichtshalters, Frau Dickhart“, heißt es auf der Webseite des Uni-Museums.
Lebensweg des Paul Esterl
Esterl schlug die klassische Karriere nach einem Theologiestudium im Passau des 19. Jahrhunderts ein: Er wurde Pfarrer – „ein Beruf, der auch Männern aus weniger reichen und gebildeten Schichten zu einem gewissen sozialen Ansehen, einer Tätigkeit ohne schwere körperliche Arbeit und einer gesicherten Versorgung verhelfen konnte“, wie auf der Webseite des Uni-Museums zu lesen ist.