CEO Mika arbeitet sieben Tage die Woche ohne zu schlafen. Sie trifft Entscheidungen allein auf der Analyse von Daten, vermeintlich ohne menschliche Vorurteile. Mika ist eine künstliche Intelligenz und als solche eine der ersten KI-CEOs, eingesetzt vom Vorstand eines polnischen Rumherstellers.
Müssen sich CEOs wie Mary Barra, Elon Musk, und Jensen Huang sorgen, dass künstliche Intelligenz ihren Job übernimmt? Diese Frage warf Prof. Dr. h.c. mult. Donald C. Hambrick, PhD, von der Pennsylvania State University bei seiner Keynote an der Universität Passau auf. Dem Begründer der modernen Strategic Leadership Forschung zufolge besteht zumindest in naher Zukunft keine Gefahr. Stattdessen aber rücke noch mehr als bisher ein Faktor in den Mittelpunkt der Top-Management-Forschung, der menschliche CEOs von den künstlichen unterscheide: ihre Persönlichkeit, ihre Fähigkeit, interne und externe Mitarbeitende zu motivieren und Orientierung zu geben in einer komplexer werdenden Welt.
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Professor Donald C. Hambrick zeigt bei seiner Keynote an der Universität Passau, wie sich die Strategic Leadership Forschung seit Begründung seiner Theorie entwickelt hat.
Professor Hambrick war einer der etwa 100 internationalen Spitzenforscherinnen und -forscher, die vom 5. bis 6. Juni zum dreizehnten „EIASM Workshop on Top Management Teams and Business Strategy Research“ an die Universität Passau gekommen waren, um die Zukunft des Fachs zu diskutieren. Organisiert wurde die Konferenz vom Passauer Managementforscher Prof. Dr. Andreas König zusammen mit Prof. Basak Yakis Douglas, PhD, (King’s College, London) und Prof. Dr. Lorenz Graf-Vlachy (TU Dortmund) sowie dem European Institute for Advanced Studies in Management (EIASM), einem Wissenschaftsnetzwerk mit Hauptsitz in Brüssel. Das Thema: „Strategic Leadership and Attention in a Post-Chandlerian World”, zu Deutsch etwa „Strategische Führung und Aufmerksamkeit in einer post-chandlerischen Welt“. Der Begriff „Post-Chandlerian“ bezieht sich auf die These des US-Wirtschaftshistorikers Alfred D. Chandler aus den 1970er Jahren, wonach Unternehmen ihre Organisationsstruktur an ihre Strategie anpassen sollten. Organisationen seien damals klar hierarchisch strukturiert gewesen, die Strategie sei nach dem Top-Down-Prinzip beschlossen worden, erklärte Prof. Basak Yakis-Douglas. „Heute sind Organisationen viel vernetzter, es gibt viel mehr Beteiligte innerhalb und außerhalb der Organisation und das wirkt sich natürlich auch auf die Strategie aus.“
Dass die Forschenden nach Passau kamen, um die Ausrichtung des Forschungsfeldes in einer sich radikal verändernden Zeit zu diskutieren, ist kein Zufall: Das Thema fügte sich ein in die Forschung des DFG Graduiertenkollegs 2720 „Digital Platform Ecosystems“ an der Universität Passau. Denn digitale Plattformen und ihre Ökosysteme gehören per Definition zu post-chandlerischen Organisationen.
Begründer zweier Forschungsstränge zu Gast an der Universität Passau
Der Workshop brachte die Begründer zweier Forschungsstränge nach Passau:
Donald Hambrick, Evan Pugh Professor und Smeal Chaired Professor for Management am Smeal College of Business an der Pennsylvania State University, hatte vor 40 Jahren die sogenannte Upper Echelons Theorie aufgestellt und damit die Strategic Leadership Forschung grundlegend geprägt (siehe: Hambrick & Mason (1984). Seine bahnbrechende These: Eine Organisation ist letztlich auch ein Spiegel der Werthaltungen, Normen und der Persönlichkeiten der Mitglieder des Top-Managements. „Ich denke, diese Theorie erklärt heute weit mehr Phänomene als damals“, sagte Professor Hambrick, der auch die Ehrendoktorwürde der Universität Passau trägt. Spitzenmanagerinnen und -manager seien mit einer sehr viel komplexeren Umwelt konfrontiert, mit einer Fülle von vieldeutigen Einflüssen. „Das führt dazu, dass eigene Voreingenommenheiten stärker zum Tragen kommen als zu der Zeit, als meine Koautorin Philis Mason und ich die Theorie entwickelten.“

Professor Willie Ocasio zeigt in seiner Keynote Beispiele für Organisationen, auf die Chandlers Theorie zutrifft, und solche danach.
Willie Ocasio, PhD, James F. Towey Professor of Business and Leadership an der University of Illinois Urbana-Champaign, begründete vor mehr als 25 Jahren die sogenannte Attention-Based View of the Firm, die aufmerksamkeitsorientierte Sichtweise des Unternehmens (siehe: Ocasio, 1997). Demnach lässt sich das Verhalten von Unternehmen dadurch erklären, wie sie die Aufmerksamkeit ihrer Entscheidungspersonen kanalisieren und verteilen. „Die heutige Zeit braucht eine ganz andere Form der Führung, bei der es weniger um Befehl und Kontrolle geht“, sagt Professor Ocasio. „Es geht mehr um Kommunikation, Inspiration, die Schaffung eines sinnhaften Ziels, die Schaffung einer starken Kultur in Organisationen.“ Hier könnten auch Technologien der künstlichen Intelligenz zum Einsatz kommen und beispielsweise helfen, die Informationsflut zu strukturieren.
Neben diesen beiden Keynote-Speakern trugen folgende Forschende als Panelisten zu dem Workshop bei: Elizabeth J. Altman, Professorin für Management an der Manning School of Business, University of Massachusetts Lowell, USA, und Pinar Ozcan, Professorin für Entrepreneurship and Innovation, Saïd Business School, University of Oxford, Großbritannien, gehören zu den wichtigsten Forscherinnen im Themenbereich digitale Plattformen und Ökosysteme. Tomi Laamanen, Professor für Strategisches Management an der Universität St. Gallen, Schweiz, gilt als einer der prägenden Vertreter der aufmerksamkeitsorientierten Sichtweise des Unternehmens. Theresa Cho ist Professorin für Strategisches Management und International Business an der Seoul National University, Südkorea, und hat mit ihrer Forschung zu Beginn des Jahrtausends als allererste eine Brücke geschlagen zwischen der Upper Echelons Theorie und der aufmerksamkeitsorientierten Sichtweise des Unternehmens.
Neue Forschungsansätze für eine neue Ära
Der Workshop brachte mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt nach Passau, darunter weitere Spitzenforschende wie Mike Tushman, Professor Emeritus an der Harvard University, sowie ausgewählte Nachwuchsforschende aus Europa, den USA und Asien. Tine Buyl, Professorin für Organisationsforschung an der Universität Tilburg und Mitglied der ständigen Leitung des EIASM Workshops, betonte die speziell konstruktive Ausrichtung des Workshops: „Das Besondere an unserem Workshop ist, dass es hier wirklich um Brainstorming von Forschungsthemen in der Frühphase geht“.
Referenzen:
Hambrick, D. C., & Mason, P. A. (1984). Upper echelons: The organization as a reflection of its top managers. The Academy of Management Review, 9(2), 193-206. https://doi.org/10.2307/258434
Ocasio, W. (1997). Towards an attention-based view of the firm. Strategic Management Journal, 18(S1), 187-206. https://www.jstor.org/stable/3088216
Prof. Dr. Andreas König
Wie reagieren etablierte Organisationen und deren Führungskräfte auf digitale Transformation?
Wie reagieren etablierte Organisationen und deren Führungskräfte auf digitale Transformation?
Prof. Dr. Andreas König ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Strategisches Management, Innovation und Entrepreneurship sowie Sprecher des DFG-Graduiertenkolleg 2720: "Digital Platform Ecosystems (DPE)" an der Universität Passau. Seine Forschungsergebnisse werden in weltweit führenden wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, darunter das Administrative Science Quarterly, der Academy of Management Review und Research Policy.