Zum Inhalt springen
19.11.2024

Warum direkte Geldtransfers Unternehmen in Burkina Faso mehr helfen als zweckgebundene Beratungsleistungen

Cash Grants sind vielversprechend, was Überleben und Wachstum von Unternehmen in instabilen politischen Kontexten angeht. Das ist das Ergebnis einer Studie von Ökonomen der Universität Passau und der Weltbank in Washington D.C. und Burkina Faso. Von Prof. Dr. Michael Grimm, Dr. Sidiki Soubeiga und Dr. Michael Weber

Männer beim Handeln auf einem Viehmarkt. Foto: Vincent Tremeau/World Bank

Männer beim Handeln auf einem Viehmarkt. Foto: Vincent Tremeau/World Bank

Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist eine große Herausforderung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. In diesen Ländern sind die meisten Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) angesiedelt. Häufig setzen Akteure wie die Weltbank auf gezielte Eingriffe wie Schulungen, direkte Subventionen oder eine Kombination dieser Maßnahmen. Die Ergebnisse dieser Eingriffe sind aber durchwachsen.

Eine wichtige politische Frage lautet daher: Sollten Fördermaßnahmen flexibel oder zweckgebunden sein? Direkte Geldtransfers ermöglichen es Unternehmen, die Unterstützung auf ihre Bedürfnisse abzustimmen und nicht durch bürokratische Kontrolle gebremst zu werden. Ein zweckgebundener Ansatz geht hingegen davon aus, dass die Unternehmen sich ihrer Ertragsmöglichkeiten nicht immer bewusst sind, dass Beihilfen ohne Bedingungen daher ineffizient sind  und die Mittel unter Umständen auch sachfremd verwendet werden könnten, zum Beispiel für langlebige Konsumgüter. Diese Sorge stellt sich vor allem in fragilen Ländern, wo Unternehmen möglicherweise vor riskanten Investitionen mit verzögerten Erträgen zurückschrecken.

Vergleich von gezielten Eingriffen und flexiblen Zuschüssen

Prof. Dr. Michael Grimm und seine Ko-Autoren Dr. Sidiki Soubeiga und Dr. Michael Weber haben in Burkina Faso ein randomisiertes Feld-Experiment durchgeführt, um die mittelfristigen Auswirkungen und die Kosteneffizienz zweier innovativer Maßnahmen zur Förderung des Unternehmenswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen in einem fragilen und ländlichen Umfeld zu untersuchen. Das Experiment wurde von 2019 bis 2022 in Zusammenarbeit mit dem lokalen Maison de l'Entreprise du Burkina Faso (MEBF) und Innovations for Poverty Action (IPA) durchgeführt. Letztere waren mit den Datenerhebungen vor Ort betraut.

Folgende Maßnahmen untersuchten die Ökonomen:

  • Cash Grants, Geldbeträge, die für beliebige Geschäftszwecke verwendet werden konnten, einschließlich des Erwerbs von Maschinen, Werkzeugen, Vieh, Bauarbeiten, Land, Beratungsleistungen, Lagerbestände und Betriebskapital, ohne dass eine Eigenbeteiligung erforderlich ist.
  • Matching Grants, zweckgebundene Maßnahmen, die für Dienstleistungen zur Unternehmensentwicklung (Business Development Services, BDS) wie technische Schulungen und Expertenberatung vorgesehen sind und einen Eigenbeitrag von 20 Prozent zu den Kosten der Dienstleistung erfordern.

Alle Unternehmen konnten bis zu 8000 US-Dollar erhalten. Im Falle der Geldbeträge konnten die Unternehmen diese in zwei oder mehr Tranchen von ihrem Bankkonto abheben. Bei zweckgebundenen Unterstützungen erhielten die jeweiligen Dienstleistungsunternehmen 80 Prozent der Kosten im Voraus erstattet, während die Geförderten die restlichen 20 Prozent zahlten. Die Beschaffungsregeln für die sogenannten Matching Grants waren strenger, um Missbrauch zu verhindern, und das MEBF leistete individuelle Unterstützung, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten.

Die Umsetzung erfolgte im Jahr 2019, begleitet von einer Erhebung, bevor die Leistungen angeboten wurden, und zwei Folgeerhebungen, die ein und zwei Jahre nach der Einführung durchgeführt wurden.

Geldbeiträge mit mehr Wirkung

Quelle: Autoren

Anmerkungen: Alle Wirkungen sind standardisiert, das heißt die Werte wurden statistisch vergleichbar gemacht. Für die Überlebenschancen und die Professionalisierung werden die Auswirkungen als relativer Anstieg der Wahrscheinlichkeit ausgedrückt und für den Kapitalstock und den Innovationsindex werden die Auswirkungen in standardisierten Effektgrößen (in Einheiten der Standardabweichung) ausgedrückt. Professionalisierung bedeutet, dass das Unternehmen bei der Sozialversicherung und der Steuerverwaltung sowie gegebenenfalls beim Handelsregister registriert ist. 

Wichtigste Ergebnisse

Zwei Jahre nach Einführung der Maßnahmen zeigten sich folgende Effekte: Im Vergleich hielten Empfängerinnen und Empfänger von Geldbeträgen sich länger am Markt und wiesen verbesserte Geschäftspraktiken, eine stärkere Professionalisierung und mehr Innovationsaktivitäten auf. Allerdings führten weder Cash Grants noch Matching Grant zu einer signifikanten Steigerung von Gewinn, Umsatz und Beschäftigung im Vergleich zur Kontrollgruppe. Nur der kleinere Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Cash Grants in der Industrie und im Dienstleistungssektor verzeichnete einen leichten Anstieg seiner Gewinne.

Bei allen Ergebnissen schnitten die Empfängerinnen und Empfänger von Geldbeträgen besser ab als jene von zweckgebundenen Beihilfen. Die Auswirkungen letzterer waren allgemein eher gering und statistisch oft nicht signifikant.

Im Gegensatz dazu steigerten die Begünstigten von Cash Grants ihre Investitionen, verzeichneten ein größeres Wachstum des Kapitalstocks und waren widerstandsfähiger gegenüber der COVID-19-Krise, was auf lange Sicht schließlich auch Gewinne, Umsatz und die Anzahl der Beschäftigten steigern könnte. Die Studienautoren finden auch geringe positive Auswirkungen auf den Vermögensbesitz der Haushalte. Zudem gaben die Begünstigten eine höhere Lebenszufriedenheit an. Die meisten Empfängerinnen und Empfänger von Cash Grants entschieden sich, das Geld für Investitionsgüter, Betriebsmittel und Vieh zu verwenden – und nicht für betriebswirtschaftliche und technische Beratungsleistungen.

Insgesamt gab es kaum Hinweise auf Betrug oder Missbrauch, selbst bei den Geldzuschüssen. Obwohl die Begünstigten der zweckgebundenen Hilfen die Qualität der Beratungsleistungen schätzten, beklagten sie sich über die komplexen Beschaffungsregeln und ihren weiterhin bestehenden Kapitalbedarf. Qualitative Daten aus Interviews und Diskussionen mit den Zielgruppen bestätigen, dass Unternehmen von flexiblen Geldbeihilfen mehr profitierten.

Kosteneffizienz

Einschließlich der Zuschüsse betrugen die Kosten bei Empfängerinnen und Empfänger von Geldbeiträgen im Durchschnitt 6658 US-Dollar, bei den Begünstigten von zweckgebundenen Schulungen und Beratungen waren es 7135 US-Dollar. Ohne den Zuschuss selbst verursachten die Unternehmen in der Gruppe der Cash Grants Kosten, die in etwa der durchschnittlichen Zuschusshöhe von 3420 US-Dollar entsprachen. Aufgrund strengerer Beschaffungsregeln war die Umsetzung von Matching Grants um 25 Prozent teurer (4036 US-Dollar im Vergleich zu 3237 US-Dollar), führte aber nicht zu besseren Ergebnissen.
Der Kapitalstock der Empfängerinnen und Empfänger von Geldbeiträgen erhöhte sich im Laufe von zwei Jahren um durchschnittlich 2500 US-Dollar im Vergleich zur Kontrollgruppe. Das bedeutet, dass es im Durchschnitt 3,33 US-Dollar kostet, um den Kapitalstock um einen Dollar anzuheben. Eine Erhöhung der selbst eingeschätzten Überlebenschancen für die kommenden zwölf Monate um einen Prozentpunkt würde Kosten in Höhe von 1715 US-Dollar verursachen. Ob diese Margen kosteneffektiv sind, hängt von ihren längerfristigen Auswirkungen ab.

Sorgfältige Auswahl aufstrebender kleiner Agrarunternehmen

Die gezielte Zuteilung der Fördermaßnahmen kann als Vorbild für ähnliche Aktivitäten dienen. Im Rahmen eines Businessplan-Wettbewerbs gingen 2279 Bewerbungen ein, von denen 1200 Unternehmerinnen und Unternehmer auf der Grundlage von Experteneinschätzungen ihrer Businesspläne und persönlicher Gespräche ausgewählt wurden. Die Geschäftspläne enthielten detaillierte Angaben zum Unternehmen und zur benötigten Höhe an Investitionen in Sachkapital, Inventar sowie zum finanziellen und technischen Beratungsbedarf. Die Unternehmen mit Potential zu Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen wurden in die engere Wahl gezogen, absolvierten standardisierte Business Trainings und wurden zufällig, das heißt per Losverfahren, in zwei Gruppen (Begünstigte von Cash oder Matching Grants) sowie eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Das Losverfahren wurde als öffentliche Lotterie durchgeführt. 

Finanzielle Zuschüsse hingegen scheinen eine vielversprechendere Alternative zu sein, vor allem wenn das Überleben der Unternehmen und nicht ihr Innovationspotential das Hauptziel ist.

Es handelt sich bei dieser Studie um die erste, die Matching Grants mit Cash Grants auf der Grundlage eines Zufallsexperiments in einem fragilen Umfeld vergleicht. Grundsätzlich könnten in einem solchen Umfeld subventionierte Investitionen in risikoreiche Aktivitäten wichtiger sein als in einem stabilen System. Es zeigt sich allerdings, dass zweckgebundene Beihilfen als zu bürokratisch und zeitaufwendig wahrgenommen werden und zudem höhere Kosten in der Umsetzung verursachen. Finanzielle Zuschüsse hingegen scheinen eine vielversprechendere Alternative zu sein, vor allem wenn das Überleben der Unternehmen und nicht ihr Innovationspotential im Vordergrund steht. Nur wenige Unternehmen, die frei entscheiden können investieren ihre Zuschüsse in technische und finanzielle Beratungsdienste. Es kann jedoch trotzdem sehr vorteilhaft sein, die Unternehmen über den potenziellen Nutzen von maßgeschneiderten Beratungsdienstleistungen zu informieren und zu beraten.

Über die Autoren

Prof. Dr. Michael Grimm ist Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau. Dr. Sidiki Soubeiga hat bei Prof. Dr. Grimm promoviert und arbeitet als Berater der Weltbank in Burkina Faso. Dr. Michael Weber ist leitender Ökonom bei der Weltbank in Washington D.C.

Quelle: Dieser Text erschien zunächst in englischer Sprache als Blogbeitrag auf dem Portal worldbank.org

Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics

Prof. Dr. Michael Grimm

forscht unter anderem zum technologischen Wandel in Entwicklungsländern

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Prof. Dr. Michael Grimm ist Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau, Leiter des Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS) und Projektleiter im DFG-Graduiertenkolleg 2720. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Entwicklungsökonomischen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik. Zuvor arbeitete der Ökonom unter anderem als  Professor für Applied Development Economics an der Erasmus Universität Rotterdam, als Gastprofessor an der Paris School of Economics sowie als Berater bei der Weltbank in Washington D.C., USA.

Mehr Informationen

Förderungsprogramm für MSMEs in Burkina Faso

Förderungsprogramm für MSMEs in Burkina Faso

Ein Forschungsteam der Universität Passau und der Weltbank evaluiert das Bagré Growth Pole Project der burkinischen Regierung. Dieses fördert mittlere, kleine und Kleinstunternehmen mit dem Ziel, auf dem Land produktive Arbeitsplätze zu schaffen.

Bluesky

Beim Anzeigen des Videos wird Ihre IP-Adresse an einen externen Server (Vimeo.com) gesendet.

Video anzeigen