Reisterassen in Tasikmalaya. Bild: Dr. Nathalie Luck
Die Abkehr von der traditionellen Landwirtschaft ging schnell: Mitte der 1960er Jahre wurde Indonesiens Landwirtschaft „industrialisiert“. Der Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden im Rahmen der „grünen Revolution“ hat die Erträge gesteigert und damit die Armut deutlich reduziert – allerdings mit deutlichen Folgen für die Böden. Diese haben an Fruchtbarkeit verloren. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln belasten die Nahrung und das Grundwasser erheblich und damit auch die Gesundheit der Menschen.
Mehrere Initiativen in Indonesien versuchen deshalb schon seit längerem, nachhaltige Anbaumethoden zu bewerben. Doch die Umstellung auf ökologischen Landbau ist zäh. Dieser ist in dem Land nach wie vor eine Randerscheinung.
Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungsökonomie an der Universität Passau, und seine frühere Mitarbeiterin Dr. Nathalie Luck haben in den vergangenen Jahren in verschiedenen Projekten untersucht, ob spezifische Schulungen und Sensibilisierung diesen Prozess beschleunigen können. Sie ermittelten, ob Bäuerinnen und Bauern bereitwilliger Methoden des Biolandbaus aufgreifen, wenn sie mehr dazu wissen und erkennen, dass sich die Bodenqualität dadurch bessert. Die Forschenden begleiten seit sechs Jahren mehr als 1100 Bäuerinnen und Bauern in 60 Dörfern in drei verschiedenen Bezirken der Provinz Yogyakarta und in der Provinz Tasikmalaya. Von 2018 bis 2023 haben der Ökonom und die Ökonomin insgesamt vier Datenerhebungen sowie ein randomisiertes Feldexperiment mit Behandlungsgruppe (erhielt Trainingsmaßnahmen) und Kontrollgruppe (erhielt keine Trainingsmaßnahmen) durchgeführt. „Studien zu Trainingsmaßnahmen gibt es viele. Seltener sind welche zu nachhaltiger Landwirtschaft und noch seltener nehmen diese eine längerfristige Perspektive ein“, sagt Prof. Dr. Grimm.
Von 2018 bis 2023 haben die Forschenden vier Datenerhebungen durchgeführt. Jedes Mal ging es um die Wirkung der Trainings, die indonesische Expertinnen und Experten gemeinsam mit dem Passauer Team vor Ort konzipiert und durchgeführt haben. Die Passauer Kompetenz liegt im verhaltensökonomischen Bereich, also im Design und der Durchführung von Studien, um zu untersuchen, wie die Schulungen wirken. Dr. Luck hat im Vorgängerprojekt IndOrganic über die kurzfristige Wirkung von Trainingsmaßnahmen promoviert. Grundlage dafür waren die ersten Datenerhebungen in den Jahren 2018 und 2019. Die Daten zeigten, dass die Trainings wirkten. „Allerdings haben wir uns gefragt, ob diese Wirkung auch länger anhält“, sagt Dr. Luck.
Dieser Frage sind Prof. Dr. Grimm und Dr. Luck nun in zwei weiteren Projekten nachgegangen, die Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erhielten. Dazu führten sie weitere Erhebungen und Feldexperimente in den Jahren 2021, 2022 und 2023 durch. Die Ökonomin und der Ökonom teilten die Bäuerinnen und Bauern in drei Gruppen auf: die eine erhielt ein eintägiges Training. Die andere nahm an einem zweitätigen Training teil, das zudem Bodentests umfasste. Die Kontrollgruppe bekam gar kein Training. Bodentests erlauben den optimalen Mix an Dünger festzulegen und die Verbesserung der Bodenqualität über die Zeit zu beobachten. Das verhindert Überdüngung, spart Kosten und schont die Umwelt.
„Mit Hilfe dieser Untersuchungen können wir etwas über die langfristigen Effekte sagen und finden hier auch interessante Muster“, sagt Prof. Dr. Grimm. Eine Erkenntnis: Die Umstellung auf Methoden des Biolandbaus erfolgt nicht linear.
„Einige fangen früh an, hören aber wieder auf. Andere beginnen erst spät und wieder andere hören zwischendurch auf und steigen später wieder ein“, sagt Prof. Dr. Grimm. Um näheres über die Gründe zu erfahren, warum manche Bäuerinnen und Bauern die nachhaltigen Methoden aufgeben, führte Dr. Luck vor Ort qualitative Interviews durch. Sie stellte fest, dass es während und nach der Pandemie eine Tiefphase gab. „Die Kontaktverbote spielten eine Rolle“, sagt Luck. Manche Bauernverbände hätten sich danach nicht mehr zusammengefunden. Dadurch sei das gemeinsame Praktizieren von Methoden des Biolandbaus zum Erliegen gekommen. „Den Bäuerinnen und Bauern fehlte die Initiative der Gruppe“, sagt die Forscherin.
Die Datenerhebung zeigte aber auch, dass über die Zeit ein gewisses Wissen aufgebaut wurde und damit die Nutzung nachhaltiger Methoden zunahm. So lag der Einsatz von organischem Dünger ohne Gülle bei Landwirten, die an den Trainings teilgenommen haben, um 17 Prozentpunkte höher als in der Kontrollgruppe. Die Teilnahme an Schulungen verringerte auch den Einsatz von chemischem Stickstoffdünger. Wenn Bodentests belegten, dass ökologische Methoden die Bodenqualität verbessern, motivierte das die Bäuerinnen und Bauern, auch weiter dabei zu bleiben.
Die Schulungen zeigten außerdem Wirkung, wenn es um die Überdüngung mit Stickstoff geht. Die obenstehende Grafik formt eine Treppe nach unten: die Gruppe mit dem Ein-Tages-Training reduzierte den Stickstoff-Einsatz von 159 Kilogramm pro Hektar auf 143 Kilogramm. Die Gruppe, die ein zweitätiges Training erhielt und bei der zusätzlich Bodentests durchgeführt wurden, sogar auf 132 Kilogramm. In den Schulungen klärten die Trainerinnen und Trainer auch über die Bedeutung eines optimalen pH-Werts auf und dass Kalk zugesetzt werden kann, um diesen zu regulieren. Auch beim Einsatz vom Kalk wirkte die Schulung, wie die folgende Grafik zeigt:
„Mich hat überrascht, mit welcher Freude und Motivation die Bäuerinnen und Bauern gemeinsam unter Anleitung durch Trainerinnen und Trainer die Bodentests durchgeführt haben“, sagt Dr. Luck. Denn diese seien alles andere als intuitiv und glichen eher einem Chemiebaukasten. Die komplexe Anwendung sei aber auch zum Hindernis geworden. Denn außerhalb der Schulungen hatten die Bäuerinnen und Bauern Hemmungen, diese selbst durchzuführen.
Zudem zeigte die Untersuchung, dass die Wirkung der Schulungen bereits nach einem Jahr nachließ. „Um einen langfristigen Effekt zu erzielen, braucht es mehr Maßnahmen und die Unterstützung durch landwirtschaftliche Beraterinnen und Beratern vor Ort, die auch regelmäßig Bodentests durchführen sollten“, folgert Luck.
Eine vollständige Umstellung auf Biolandbau sei mit Schulungen allein nicht zu erreichen. „Das haben wir aber auch nicht anders erwartet, denn das ist gar nicht so einfach“, sagt Prof. Dr. Grimm. Auch in Indonesien seien die Vorschriften für die Zertifikate sehr streng und die Grenzwerte nicht zu erreichen, wenn etwa der Nachbar auf dem angrenzenden Feld konventionelle Landwirtschaft betreibe. Außerdem hätten die Landwirte Sorge, dass sie für die Bioprodukte keinen höheren Preis erzielen könnten.
Impressionen aus Indonesien. Fotos: Dr. Nathalie Luck
Workshops mit Entscheidungspersonen in Indonesien
Die Forschenden der Universität Passau fassten die Ergebnisse in kurzen Policy Briefs zusammen, Handreichungen für politische Entscheidungspersonen. Zudem organisierten sie gemeinsam mit den indonesischen Partnerinnen und Partnern Veranstaltungen in den indonesischen Städten Yogyakarta und Bogor, um die Erkenntnisse Entscheidungspersonen aus Politik, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus der Landwirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen vorzustellen. Sie trafen damit den Nerv der Verantwortlichen vor Ort. „Unsere Initiative kam genau zur richtigen Zeit“, sagt Prof. Dr. Grimm. „Das Interesse an den Trainingsmaßnahmen war groß.“ Denn man habe zeigen können, dass es sich dabei um eine leicht durchzuführende und kostengünstige Maßnahme handele, um die Umstellung auf Methoden des Biolandbaus zu beschleunigen.
Für die von der DFG und DBU geförderten Studien arbeitete das Team der Universität Passau eng mit renommierten Expertinnen und Experten aus Indonesien zusammen. Kooperationspartner waren unter anderen die Universitas Gadjah Mada in Yogykarta und das Institut Pertanian Bogor.
Prof. Dr. Michael Grimm
Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?
Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?
Prof. Dr. Michael Grimm ist Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau und Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie Projektleiter im DFG-Graduiertenkolleg 2720. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Entwicklungsökonomischen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik. Zuvor arbeitete der Ökonom unter anderem als Professor für Applied Development Economics an der Erasmus Universität Rotterdam, als Gastprofessor an der Paris School of Economics sowie als Berater bei der Weltbank in Washington D.C., USA.