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Beleidigungen auf Social Media: Nur die Hälfte der Angriffe wird gemeldet

Eine neue bidt-Studie, die Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri von der Universität Passau mit geleitet hat, zeigt, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht nur im Netz ein gesellschaftliches Problem sind. Allerdings wird ein Großteil der Online-Anfeindungen nicht gemeldet.

Symbolfoto: Adobe Stock.

Wie effektiv sind bestehende Beschwerdemechanismen gegen Beleidigungen im Netz? Unter anderem mit dieser Frage befasst sich eine Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hintergrund ist das in Deutschland geplante Gesetz gegen digitale Gewalt.

In der Studie untersucht das Forschungsteam des bidt Beleidigungen, die im juristischen Sinne eindeutig nicht zulässig sind; das heißt sogenannte Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wie etwa gravierende Herabwürdigungen, Beschimpfungen mit Fäkalbegriffen oder Angriffe auf die Menschenwürde. „Diese Fälle müssten laut geltendem Recht schnell und effektiv gelöscht werden, sobald sie der Plattform gemeldet wurden. Wie unsere Studie aber zeigt, werden die Meldemöglichkeiten häufig nicht genutzt“, sagt Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau. Sie ist Mitglied im Direktorium des bidt und hat die Studie gemeinsam mit dem Juristen Prof. Dr. Dirk Heckmann von der TU München geleitet.

Mehr Beleidigungen in der analogen Welt als im Netz

Die Ergebnisse zeigen, dass Betroffene Beleidigungen nach wie vor häufiger in der Offline- als in der Onlinewelt erfahren. Während rund 20 Prozent der Befragten angeben, in den vergangenen sechs Monaten selbst online beleidigt worden zu sein, erlebten mehr als 35 Prozent dies außerhalb des Netzes. Der Befragung zufolge sind Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, besonders betroffen. Auch in dieser Gruppe unterscheiden sich Online- und Offlinewelt deutlich: Unter den befragten Politikerinnen und Politikern sehen sich über 80 Prozent Beleidigungen im Netz ausgesetzt, in der Offlinewelt 84 Prozent. Noch markanter ist der Unterschied bei Influencerinnen und Influencern: Knapp 50 Prozent erfahren Beleidigungen im Netz, fast 70 Prozent offline. Von den Befragten, die als Privatpersonen auf Social Media auftreten, berichtet eine verhältnismäßig geringe Gruppe von 14 Prozent von Beleidigungen in der digitalen Umgebung, während es in der analogen Welt 43 Prozent sind.

Nur jede zweite betroffene Person meldet Beleidigungen auf Social Media

Doch auch im Netz sind der Studie zufolge Beleidigungen an der Tagesordnung: Knapp 60 Prozent der Userinnen und User geben an, dass sie in den vergangenen sechs Monaten gesehen haben, dass jemand anderes auf Social Media beleidigt wurde. Allerdings wird ein Großteil der Beleidigungen auf Social Media nicht gemeldet: Von den direkt Betroffenen meldeten knapp 46 Prozent die Beiträge weder bei einer staatlichen noch bei einer privaten Stelle, wie beispielsweise unmittelbar auf der Plattform.

Aussichtslosigkeit und Rechtsunsicherheit wesentliche Gründe

Fehlende Kenntnis über Meldewege, mangelndes Interesse und das Gefühl von Aussichtslosigkeit sind den Forschenden des bidt zufolge zentrale Gründe, warum Betroffene von einer Meldung absehen. Insgesamt zweifle mehr als jede zweite Person daran, dass ihr weitergeholfen werde; sowohl auf Plattformen (57 Prozent) als auch bei staatlichen Stellen (62 Prozent). Ein weiterer Grund für die Nichtmeldung sei bei über einem Drittel der Nutzerinnen und Nutzer die Rechtsunsicherheit. Auch der Wissensstand zu Plattformregulierung sei relativ gering. Nicht einmal ein Viertel der Befragten (24 Prozent) habe etwas vom europäischen Digital Services Act (DSA) gehört, der unter anderem Meldewege für rechtswidrige Inhalte auf Plattformen europaweit vorsieht.

Geringes Vertrauen in staatliche Einrichtungen vorhanden

Auch könne fehlendes Vertrauen in staatliche Institutionen generell eine Rolle spielen. Nur der Polizei werde von mehr als der Hälfte der Befragten (54 Prozent) großes bis sehr großes Vertrauen entgegengebracht. Das Vertrauen etwa in den Bundestag liege lediglich bei 30 Prozent. Weniger als die Hälfte vertraue der Staatsanwaltschaft (48 Prozent) und den nationalen Gerichten (46 Prozent).

Das empfehlen die Forschenden

Um das Vertrauen in die Rechtsdurchsetzung voranzubringen, müsste dieses Vertrauen den Autorinnen und dem Autoren der Studie zufolge in staatliche Institutionen gestärkt werden. Auch sollten einfache, transparente Meldewege bekannter gemacht, Allgemeinwissen darüber vermittelt und die Mittel der Rechtsverfolgung verbessert werden, so das Fazit der Studie.

Zum Hintergrund der Studie

Die Studie ist Teil des bidt-Forschungsprojekts „Herausforderungen der Regulierung digitaler Kommunikationsplattformen“. Im Juni und Juli 2024 befragte das Marktforschungsinstitut Ipsos im Auftrag des bidt 5.000 in Deutschland lebende Personen ab 18 Jahren mit Internetzugang, die mindestens einmal pro Woche Social Media (Instagram, Facebook, TikTok, Snapchat, X oder/und LinkedIn) nutzen.

Quelle: Pressemitteilung des bidt vom 9.10.2024

bidt-Projekt: Herausforderungen der Regulierung digitaler Kommunikationsplattformen

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Welche gesellschaftlichen Erfordernisse gibt es an Regulierungen von Videoplattformen? Hannah Schmid-Petri, Professorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau, und IT-Rechtsexperte Prof.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri

forscht zu öffentlichen Debatten - online wie offline

Wie werden Themen der Digitalisierung öffentlich diskutiert und welche Folgen hat das für politische Prozesse?

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Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau und Projektleiterin im DFG-Graduiertenkolleg 2720: "Digital Platform Ecosystems (DPE)". Sie ist Mitglied im Direktorium des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation und Teil der Jury des Communicator-Preises der DFG. Vor ihrer Zeit in Passau war sie Oberassistentin am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern.

Bluesky

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