Ruderboot auf dem Inn nahe Passau-Ingling.
Mal angenommen, Donau, Ilz und Inn wären Subjekte mit eigenen Rechten. Und weiter angenommen, es käme ein Hochwasser, das die Keller der Bewohnerinnen und Bewohner der Passauer Altstadt überflutet. Hätten diese dann Schadensersatzansprüche gegen die Flüsse? Diese Frage brachte eine Teilnehmerin in die Podiumsdiskussion über die Rechte der Natur ein, die Teil der PYREC-Jahrestagung zum Thema „(Re)shaping values in Science and Society“ war. Diese fand Ende April im IT-Zentrum der Universität Passau statt.
Eine andere Perspektive schilderte die Aktivistin Celia Fasabi Pizango von der Vereinigung der indigenen Kukama-Frauen aus Peru. Auch sie ist Anwohnerin eines Flusses, des Río Marañón, einem der Quellflüsse des Amazonas. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen hatte sie im vergangenen Jahr einen bahnbrechenden Erfolg erzielt: Ein peruanisches Gericht erkannte den Fluss als eigenes Rechtssubjekt an. Er habe das Recht, frei zu fließen und nicht verschmutzt zu werden. Im November 2024 wurde das Urteil in zweiter Instanz bestätigt.
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In einem Seminarraum in Passau mit Blick auf den vorbeifließenden Inn schilderte Fasabi Pizango mit eindringlichen Worten die Perspektive des indigenen Volks, das seit mehreren Jahren unter Ölverschmutzungen leidet. Im Glauben der Kukama ist der Fluss ein Lebewesen, mit dem das Volk spirituell verbunden ist und aus dem es Kraft schöpft. „Ohne Wasser gibt es kein Leben und auch keinen Regenwald!"
Mit auf dem Podium saß Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff von der Universität Passau. Der Ökonom erklärte, dass Wirtschaft nicht im Gegensatz zur Natur stünde. Vielmehr stelle die Bedrohung der Lebensgrundlagen auch eine Gefährdung der Wirtschaft dar. Er könne sich durchaus mit dem Gedanken anfreunden, dass Flüsse einen Rechtsstatus bekommen, vergleichbar zum Status einer juristischen Person. Eine philosophische Perspektive auf das Thema brachte PD Dr. Claudia Paganini vom Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck ein. Moderiert wurde die Diskussion von dem Juristen Prof. Dr. Jörg Fedtke, Inhaber des Lehrstuhls für Common Law an der Universität Passau.
Die Podiumsdiskussion war Teil der ersten PYREC Jahrestagung, die die ersten Fellows organisiert hatten. Bei PYREC, kurz für Passau Young Researchers Excellence Centre, handelt es sich um ein Förderprogramm für junge Nachwuchsforschende, die sich interdisziplinär über Fakultäten hinweg vernetzen wollen und gemeinsam an einem Thema forschen wollen. Die erste Kohorte hat sich für 2025 auf das Thema „(Re)shaping values in Science and Society“ geeinigt und dazu eine facettenreiche Veranstaltung ausgerichtet.
PYREC-Fellow Jan Doria, Doktorand am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, hatte in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle Perú e.V. (Freiburg), dem Foro Solidaridad Perú (Lima) sowie der indigenen Organisation Huaynakana Kamatahuara Kana (Perú) den Besuch der peruanischen Aktivistin organisiert. Doria forscht zu der Frage, welche Rolle die Idee eines Rechtssubjektstatus für die Natur bei der Integration des Werts der Nachhaltigkeit in eine Ethik des Digitalen spielen kann. "Das historische Urteil, das den Río Marañón als Rechtsperson anerkennt, interessiert uns als PYREC-Fellows natürlich ganz besonders, weil wir uns fragen: Welche Werte brauchen wir, um unsere Gesellschaft neu zu gestalten?", erklärt. Das sei insbesondere interessant vor dem Hintergrund der Technologieentwicklung: "Technologie braucht sehr viele Ressourcen. In Peru spüren die Menschen die Auswirkungen ganz konkret, wie Dürre, Trockenheit."
Neben der Podiumsdiskussion mit der peruanischen Aktivistin beschäftigten sich die Fellows an dem Tag auch mit Themen wie Forschungsdatenmanagement und Demokratieförderung. "Die Jahrestagung ist der Höhepunkt unseres Programms. Und dazu haben wir verschiedene Expertinnen und Experten eingeladen, die aus wissenschaftlicher, aber auch praktischer Perspektive die Themen beleuchten", erklärt Kevin Koziol, der gemeinsam mit Franziska Jäckel die Sprecherrolle der ersten PYREC-Fellows eingenommen hat.
"Der klare Mehrwert des PYREC-Programms liegt in der Interdisziplinarität. Dieser Austausch ist gerade in Zeiten wichtig, in denen die Wissenschaft in der Gesellschaft auch um Akzeptanz kämpfen muss."
PYREC-Sprecherin Franziska Jäckel
Jäckel promoviert an der Universität Passau im Rahmen der Nachwuchsforschungsgruppe Bioeconomy Economics unter der Leitung von Dr. Terese Venus, die ebenfalls interdisziplinär aufgestellt ist. Die Gruppe forscht zur Frage, welchen gesellschaftlichen Wandel es braucht für einen Übergang zu einer nachhaltigen Bioökonomie. Koziol wiederum ist Doktorand am Lehrstuhl für BWL mit Schwerpunkt Internationales Management und Soziales Unternehmertum unter der Leitung von Prof. Dr. Suleika Bort und untersucht die Bedeutung von kognitiven Verzerrungen und neuen Technologien in unternehmerischen Investitionsentscheidungen.“
"Der klare Mehrwert des PYREC-Programms liegt in der Interdisziplinarität", sagt Jäckel. Dieser Austausch sei gerade in Zeiten, in denen die Wissenschaft in der Gesellschaft auch um Akzeptanz kämpfen muss, wichtig. Zu Gast auf der Jahrestagung war auch die neue Kohorte der PYREC-Fellows. Eine davon ist Kira Braun, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Geographie. „Für mich bedeutet PYREC, mich mit anderen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu vernetzen, aus verschiedenen Perspektiven zu lernen und auch meine Skills zu erweitern. Ich freue mich auch auf das kommende Jahr und auf die Impulse, die gesetzt werden.“