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Wenn das Gehirn auf Rot schaltet

PICAIS-Fellow Prof. Dr. Hedwig Eisenbarth aus Neuseeland war zu Gast bei Prof. Dr. Susanne Mayr, um zu erforschen, wie Gefühle menschliches Handeln beeinflussen.

Symbolbild: Adobe Stock

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind zu Hause, das Telefon klingelt. Eine nahestehende Person hatte einen Unfall, sie liegt im Krankenhaus. Sie springen ins Auto, doch an der nächsten Kreuzung schaltet die Ampel von Gelb auf Rot. Sie entscheiden, die Kreuzung noch schnell zu überqueren.

Prof. Dr. Hedwig Eisenbarth von der Te Herenga Waka - Victoria University of Wellington in Neuseeland schildert dieses Beispiel im Video. Sie sagt: „Das ist eine emotional belastende Situation. Solche Momente werfen Fragen auf. Zum Beispiel: Wie viel Kontrolle haben wir über unser Handeln, wenn wir emotional belastet sind? Inwiefern fühlen wir uns verantwortlich für Entscheidungen, die wir unter diesen Umständen treffen?“ Unter anderem diese Fragen erforscht die Psychologieprofessorin. Sie untersucht, wie sich Emotionen auf unser Verhalten auswirken.

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Dank einer Förderung des Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS) kam Eisenbarth für mehrere Monate an den Lehrstuhl von Prof. Dr. Susanne Mayr, die mit ihrem Team an der Universität Passau zu Psychologie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion forscht. Eisenbarths Expertise zu Emotionen trifft in Passau auf Expertise in experimentelle Forschungsmethoden. Das Team um Prof. Dr. Mayr konzipiert und führt Studien durch, um zu ergründen, wie Menschen Informationen wahrnehmen und verarbeiten.

„Wir erforschen etwa, wie die Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen neue Technologien wahrnehmen und mit ihnen interagieren“, erklärt Prof. Dr. Mayr. Ihr Team ist an der DFG-Forschungsgruppe „Merkmalsintegration und -abruf in der Handlungssteuerung“ (Binding and Retrieval in Action Control; BRAC) beteiligt. Seit mehreren Jahren untersucht es, wie akustische Reize menschliches Handeln beeinflussen. In Experimenten konnten die Passauer Forschenden nachweisen, dass das Gehirn Störgeräusche nicht ganz ausblendet, sondern sie in Kombination mit bestimmten Ereignissen abspeichert – ein Phänomen, das man in der Psychologie als  „Binding“ bezeichnet, einer Verbindung zwischen dem akustischen Reiz und der menschlichen Handlung. Diese Kopplung ruft das Gehirn in ähnlichen Situationen automatisch wieder ab („Retrieval“).

Neues Experiment zu Emotionen und Handlungen

Den Aufenthalt von Prof. Dr. Eisenbarth nutzen Prof. Dr. Mayr und ihre Mitarbeiter Dr. Anna Scotts und Dr. Malte Möller, um ein neues Experiment vorzubereiten. Im Kern geht es um die Frage, ob im Gehirn eine solche Verbindung auch zwischen Emotionen und Handeln entsteht. Dazu führen sie eine Vorstudie durch: Im TV-Studio der Universität Passau ließen sie eine Sprecherin kurze Silben einsprechen, zum Teil nur einzelne Vokale. Diese sollten unterschiedliche Emotionen ausdrücken. Ein „Ah“ sollte freudig klingen, ein anderes ärgerlich, ein drittes sollte Ekel erkennen lassen.

Diese Laute spielten die Forscherinnen anschließend Personen vor. Sie sollten die hinterlegte Emotion erkennen – und zwar ohne den Kontext zu wissen. „Das ist oft gar nicht so einfach, denn bei einem isolierten ‚Ah‘ liegen Ärger und Ekel überraschend nah beieinander“, sagt Eisenbarth. „Oft wird angenommen, dass eine Emotion auch als solche erkennbar ist, wenn man jemanden instruiert, diese auszudrücken. Aber das ist nicht immer der Fall – typisch Emotionsforschung.“ Deswegen sei diese Vorevaluation so wichtig.

Die Forscherinnen sind gerade dabei, die buchstäblich aussagekräftigsten Sounds herauszufiltern. Von insgesamt 40 Lauten werden sie vier für das eigentliche Experiment auswählen, das online stattfinden soll. Die Teilnehmenden erhalten unterschiedliche Aufgaben: Mal sollen sie den gehörten Vokal benennen, mal die wahrgenommene Emotion. „Wir prüfen, ob eine Emotion – selbst wenn sie irrelevant ist – trotzdem so stark wahrgenommen wird, dass sie eine Bindung im Gehirn erzeugt“, erklärt Mayr. „Für uns ist das sehr spannend, weil wir bislang wenig mit Emotionen gearbeitet haben“, sagt sie. Neu ist das Experiment auch für die Emotionsforscherin Eisenbarth, die bislang nicht mit akustischen Reizen gearbeitet hat.

Neue Perspektive auf die Heimat

Das Online-Experiment wird stattfinden, wenn Prof. Dr. Eisenbarth bereits wieder in Neuseeland ist. Mitte Oktober verlässt sie Passau. Für die Wissenschaftlerin war der Aufenthalt auch eine Rückkehr in die Heimat: Sie wuchs im Stadtteil Grubweg auf und machte am Gymnasium Leopoldinum in der Passauer Altstadt ihr Abitur. „Es ist schön, die Stadt aus einer neuen Perspektive kennenzulernen, nämlich der universitären“, sagt sie. Durch den Aufenthalt ist nun auch eine wissenschaftliche Brücke zwischen Neuseeland und Passau entstanden. Ein Forschungsvorhaben wurde angestoßen, das in Publikationen und weiteren Folgestudien münden wird.

PICAIS: Plattform für internationale Spitzenforschung

Das Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS) ist die zentrale Plattform für wissenschaftliche Exzellenz und interdisziplinäre Forschung und Vernetzung an der Universität Passau. Es lädt international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Forschungsaufenthalten ein und unterstützt Formate zur Vernetzung. Mit seinem „Research-in-Residence“-Programm hat das Zentrum bereits 33 Stipendien an Forschende aus 21 Ländern vergeben.

Noch bis 15. Oktober können sich erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit für einen Forschungsaufenthalt von mindestens zwei Monaten bewerben. Die Voraussetzung: Eine Passauer Professorin oder ein Passauer Professor unterstützt das Vorhaben und fungiert als Gastgeberin oder Gastgeber.

Prof. Dr. Susanne Mayr

Prof. Dr. Susanne Mayr

forscht zu Psychologie und Mensch-Maschine-Interaktion

Wie verändert sich der Mensch durch das Online-Sein?

Wie verändert sich der Mensch durch das Online-Sein?

Prof. Dr. Susanne Mayr ist seit 2015 Inhaberin des Lehrstuhls für Psychologie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion an der Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau.

Bluesky

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