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08.03.2020

Sammelband ehrt Vorkämpfer für geschlechtergerechte Ökonomie

Zum Internationalen Frauentag erscheint der Band "Economics of Gender Inequality" online. Entwicklungsökonom Prof. Dr. Michael Grimm von der Universität Passau und seine Züricher Kollegin Prof. Dr. Isabel Günther würdigen damit die Arbeit des schwerkranken Prof. Dr. Stephan Klasen, der als einer der ersten die Ungleichheit der Geschlechter auf die akademische und politische Agenda gesetzt hat.

Cover des Buches "Economics of Gender Inequality" von Prof. Dr. Michael Grimm und Isabel Günther

Stephan Klasen gilt als einer der profiliertesten Entwicklungsökonomen des 21. Jahrhunderts. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der Göttinger Professor dafür eingesetzt, das komplexe Phänomen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu verstehen und zu ändern. Unter anderem hat er die Anzahl der "missing women" berechnet – die Zahl jener Frauen, die wegen Geschlechterdiskriminierung sterben oder aufgrund von geschlechtsselektiver Abtreibung erst gar nicht geboren werden. Prof. Dr. Klasen beziffert diese auf 100 Millionen weltweit.

"Prof. Dr. Klasen war einer der ersten, der dafür sensibilisiert hat, dass unter der Diskriminierung der Frauen die gesamte Gesellschaft leidet", sagt Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau. Er lernte Prof. Dr. Klasen während seiner Zeit an der Universität Göttingen (2003-2007) kennen und schätzen: "Prof. Dr. Klasen ist eine beeindruckende Forscher-Persönlichkeit - bescheiden im Auftreten, aber unermüdlich im Einsatz gegen soziale Ungleichheit."

Der Göttinger Professor Klasen hat eine Vorreiterrolle eingenommen und das Thema Geschlechterungleichheit bereits in den 1990er Jahren sowohl auf die akademische als auch die politische Agenda gesetzt. Er beriet verschiedene internationale Organisationen, darunter das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, die Weltbank und die OECD. 2019 schied Prof. Dr. Klasen vorzeitig aus seiner aktiven Lehrtätigkeit an der Universität Göttingen aus. Er leidet an amyotropher Lateralsklerose und ist in Sprache und Mobilität stark eingeschränkt.

Debatte zum Thema weiter nähren

Klasens Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war schließlich die Motivation für Prof. Dr. Grimm und Prof. Dr. Günther, Professorin für Entwicklungsökonomie an der ETH Zürich, den Band "Economics of Gender Inequality" herauszugeben. "Wir wissen, dass es ihm wichtig ist, dass die Debatte zum Thema Ungleichheit der Geschlechter weitergeführt wird", sagt Prof. Dr. Grimm. Der Band enthält die zwölf wichtigsten Fachaufsätze von Prof. Dr. Klasen zum Thema.

"Stephan Klasen hat unser Denken zum Thema globale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern geprägt", sagt Mitherausgeberin Prof. Dr. Günther, die unter Prof. Dr. Klasen 2007 promoviert hat. "Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit, aber vor allem sein tiefes Anliegen und Engagement, die Welt zu einem gerechteren Ort für alle zu machen, haben Stephan Klasen zu einer führenden Persönlichkeit auf diesem Gebiet gemacht."

Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics

Prof. Dr. Michael Grimm

forscht unter anderem zum technologischen Wandel in Entwicklungsländern

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Welche Maßnahmen ermöglichen Entwicklungsländern Teilhabe an größeren internationalen Marktprozessen?

Prof. Dr. Michael Grimm ist Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau und Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie Projektleiter im DFG-Graduiertenkolleg 2720. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Entwicklungsökonomischen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik. Zuvor arbeitete der Ökonom unter anderem als  Professor für Applied Development Economics an der Erasmus Universität Rotterdam, als Gastprofessor an der Paris School of Economics sowie als Berater bei der Weltbank in Washington D.C., USA.

Zahlen zur Diskriminierung von Frauen weltweit

Zwar haben sich die Rechte der Frauen in den vergangenen Jahren weltweit verbessert. Doch noch immer sind sie vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt – der Verlag hat dazu plakative Zahlen aufs Cover gehoben: Mehr als 500 Millionen Frauen weltweit werden Opfer häuslicher Gewalt. Jedes dritte Mädchen wird vor seinem 18. Lebensjahr verheiratet. Frauen verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als Männer und leisten dreimal so viel unbezahlte Pflege- und Hausarbeit für die nächste Generation. Sie besetzen nur 20 Prozent aller Parlamentssitze weltweit.

Prof. Dr. Klasen konnte zeigen, dass der Ausschluss von Mädchen von der Schule ein langsameres Wirtschaftswachstum für alle zur Folge hat. Umgekehrte konnte er belegen, dass gleiche Rechte und steigende Einkommen weltweit nicht dazu geführt haben, dass Frauen mehr am Arbeitsleben teilnehmen – dies bleibt eine Herausforderung sowohl in armen als auch in reichen Ländern.

"Economics of Gender Inequality" richtet sich an Forscherinnen und Forscher, politische Entscheidungsträger sowie an interessierte Leserinnen und Leser, die mehr über die weltweite Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und deren Konsequenzen lernen wollen und wie dagegen angegangen werden kann. Das Buch erscheint in englischer Sprache beim vdf Hochschulverlag und ist ab 8. März 2020 zum internationalen Frauentag als eBook verfügbar: https://vdf.ch/economics-of-gender-inequality-e-book.html

Aus dem Vorwort von «Economics of Gender Inequality»:

Stephan is a remarkable scholar and an even more remarkable man – and this is a remarkable book in his honor, gathering many of his key contributions to understanding and fighting gender inequalities.

Francisco H.G. Ferreira, World Bank, Washington D.C.

From the earliest moment that I met him to today, he has never wavered in his concern with the conditions of ordinary people, and with the need to use thought as an aid to the practical betterment of our collective conditions.

Sanjay Reddy, The New School for Social Research, New York

These papers are a testimony to Stephan’s originality and his role in drawing our attention to aspects of development economics that were quite neglected when he started writing on this topic. Stephan’s pioneering work deserves indeed our praise and admiration.

Jacques Silber, Bar-Ilan University

Before long Stephan Klasen emerged as the strongest and most clear-headed contributor to the subject of gender inequality and its policy implications. He influenced research in this whole area both through his writings and also through his guidance of the research of others – in Munich and in Göttingen particularly, but also in a number of other places which he visited – from New York to Johannesburg, from Harvard to the University of Cambridge … To see a person like Stephan Klasen alter the world of understanding and initiate big social changes is totally wonderful.

Amartya Sen, Nobel Laureate, Harvard University, Boston

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