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Werkzeuge für gute Governance im Wissenschaftssystem

Was die Wissenschaft von der Management-Forschung lernen kann: Die Universität Passau treibt gemeinsam mit der Universität Wuppertal Forschung zur guten „Governance in Wissenschaftsorganisationen“ voran.

Unter Compliance versteht die Wirtschaft Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen, um eine rechtskonforme und redliche Führung der Geschäfte sicherzustellen. Auch im Wissenschaftsbereich gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Denn in jüngster Zeit gerieten mehrere Wissenschaftsorganisationen, darunter die Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft, wegen Vorwürfen des Führungsfehlverhaltens in die Schlagzeilen.

Für den ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Thomas Sattelberger, stellen diese Berichte eine Art Normalisierung dar. „Vor 20 Jahren war die Wirtschaft im Scheinwerferlicht der deutschen Medien. Jetzt ist es die Wissenschaft“, sagt Sattelberger, der als Personalvorstand der Telekom nach dem Bespitzelungsskandal 2008 die Mängel in den Compliance-Regeln und der Führungsriege aufgearbeitet hat.

Sattelberger war einer der prominenten Referentinnen und Referenten auf der Tagung "Governance in Wissenschaftsorganisationen - Konstruktiver Umgang mit Konflikten und Vorwürfen" an der Bergischen Universität Wuppertal, die die Universität Passau mitorganisiert hat. Er ging mit dem Wissenschaftssystem hart ins Gericht, prangerte eine „miserable Governance“ an: „Die Wissenschaft versagt bei der Selbstkontrolle.“

Das zu ändern, Lösungsansätze zu diskutieren und wissenschaftlich zu begleiten, haben sich die Initiatorinnen der Tagung, Prof. Dr. Carola Jungwirth von der Universität Passau und Prof. Dr. Isabell Welpe vom Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung (IHF), zum Ziel gesetzt. Die beiden Management-Forscherinnen definieren den Begriff „Governance“ als Überbegriff für jene Prozesse, Regeln und Verfahren, die eine Wissenschaftsorganisation steuern und sicherstellen, dass das Organisationsziel effektiv und transparent erreicht wird.

Fortsetzung der Passauer Tagung „Absender unbekannt“

Mit der Wuppertaler Veranstaltung knüpfen sie an den Diskurs einer Tagung an, die 2020 an der Universität Passau unter dem Titel "Absender unbekannt. Wissenschaftliche Verfahren im Umgang mit anonymen Anschuldigungen" stattgefunden hat. Die Universität Passau hatte gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung (IHF), der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Deutschen Hochschulverband (DHV) dazu eingeladen. Seither hat sich einiges getan. Beispielsweise knüpft die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Antragsberechtigung um Fördermittel an das Vorhandensein aktualisierter Standards zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Die DFG hatte ihre Leitlinien dazu 2019 überarbeitet (Pressemitteilung dazu). Der DHV bietet seinen Mitgliedern Beratung in Krisensituationen an. 

Prof. Dr. Carola Jungwirth, Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig und Prof. Dr. Susanne Schroeter sowie Kooperationspartner Prof. Dr. Bernhard Kempen (DHV), Dr. Harald von Kalm (DFG) und Prof. Dr. Max-Emanuel Geis (FAU Erlangen-Nürnberg)

Offene Gespräche über ein schwieriges Thema: An der Universität Passau haben Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Politik und Medien gemeinsam mit dem Publikum den Umgang mit anonymen Vorwürfen und Hinweisen analysiert.

Die Teilnehmenden der Tagung in Wuppertal, etwa 120 Governance-Fachleute, Verantwortliche in Führungspositionen, Wissen­schaftler*innen und Außenstehende, diskutierten vor allem nicht-wissenschaftliches Fehlverhalten wie Mobbingvorwürfe oder Fälle von Diskriminierung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Bereichen der akademischen Laufbahn – vom akademischen Nachwuchs bis hin zur Professorin – präsentierten Fallstudien und Zahlen zu solchen Regelverstößen.

Die Initiator*innen bei der Tagung in Wuppertal: Prof. Dr. Isabell Welpe (von links), Dr. Maike Reimer (IHF), Prof. Dr. Carola Jungwirth (Universität Passau), Prof. Dr. Oliver Günther (HRK) und Prof. Dr. Birgitta Wolff (Bergische Universität Wuppertal).

Die Vorträge zeigten, dass bei der Beurteilung dieser Fälle die subjektive Wahrnehmung von Betroffenen oder Beobachtenden zu schwerwiegenden Konsequenzen für die Beschuldigten führen kann, die nicht immer gerechtfertigt sind. Doch auch für Betroffene reichten die derzeitigen Verfahren nicht aus. Zwar gebe es viele Anlaufstellen, wie etwa Gleichstellungsbeauftragte oder Ombudspersonen, doch scheiterten diese als „zahnlose Tiger“ bei der Durchsetzung der Regeln. Zum Teil liege das auch an den Strukturen: So setzten Wissenschaftsorganisationen bislang noch keine klare Trennung zwischen Leitungsebene und Kontrollorganen um.

In der Diskussion sprachen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür aus, dass allgemeine Anschuldigungen wie „schlechte Stimmung“ oder „Klima der Angst“ durch objektive Kriterien konkretisiert und belegt werden müssten. Forderungen nach unabhängigen Kontrollinstanzen, transparenten Beschwerde-Strukturen und Führungsverantwortung wurden pointiert formuliert, ebenso wie nach der Auflösung einseitiger Abhängigkeit in Betreuungs- und Beschäftigungsverhältnissen. Die Ergebnisse der Tagung sind eingeflossen in eine "Wuppertaler Erklärung zur vertrauenswürdigen Wissenschaftsgovernance".

"Die beschriebenen Herausforderungen lösen sich nicht von selbst. Es ist eine permanente Leitungsaufgabe in Wissenschaftsorganisationen, die Leitplanken für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten und Vorwürfen zu setzen", sagte Prof. Dr. Jungwirth, die an der Universität Passau den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Governance innehat. Sie hat sich vorgenommen, diesen Prozess weiter zu begleiten, gemeinsam mit Prof. Dr. Birgitta Wolff, der Rektorin der Bergischen Universität Wuppertal. Bereits entstanden aus der Zusammenarbeit ist ein Podcast zum Thema Wissenschaftsmanagement. Dieser basiert auf einem Doktorandenseminar und soll den akademischen Nachwuchs auf Führungsaufgaben in Wissenschaftsorganisationen vorbereiten.

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#12 How to be a good leader
Führen und geführt werden im Wissenschaftssystem
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Management-Forschung an der Universität Passau

Prof. Dr. Jungwirth ist an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau eingebettet in den Bereich der Management-Forschung. Während sie sich schwerpunktmäßig mit Wissenschaftsorganisationen befasst, analysieren andere Professorinnen und Professoren Führungsstrukturen in der Wirtschaft. Prof. Dr. Andreas König forscht etwa zum Verhalten von Führungskräften, Prof. Dr. Marina Fiedler zum Einfluss von Corporate Governance auf strategisches Führungsverhalten und Prof. Dr. Suleika Bort zur Verankerung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensführung. Prof. Dr. Carolin Häussler analysiert Prozesse im Bereich Innovationsmanagement und berät als Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) die Politik auf oberster Ebene.

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