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Gen-Schere CRISPR/Cas*: Aussicht auf Heilung von vielen Krankheiten

Deutschland ist in Sachen CRISPR/Cas-Forschung zwar international führend, starken Aufholbedarf sieht Prof. Dr. Carolin Häussler aber bei Anwendung und Kommerzialisierung. Die Passauer Ökonomin ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation, die ihr Jahresgutachten an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben hat.

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin angesichts der Pandemie virtuell übergeben wurde, behandelt das Zukunftsthema der Gen-Schere CRISPR/Cas in der Medizin. Prof. Dr. Carolin Häussler, Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Organisation, Technologiemanagement und Entrepreneurship an der Universität Passau, beschreibt in einem Video-Podcast der EFI-Kommission die herausragende Bedeutung dieser noch jungen Technik: „CRISPR/Cas ist ein Werkzeug zur Gen-Editierung, das neue Impulse in der medizinischen Grundlagenforschung setzt und neue Therapieansätze für viele Krankheiten ermöglicht. Durch das zielgerichtete Verändern genetischer Informationen wird es möglich, die Ursache von Erbkrankheiten direkt zu beheben.“ 

Ein großes Potenzial liege dabei im Bereich der somatischen Gentherapie, also in Anwendungen, bei denen die ausgelösten genetischen Veränderungen nur das behandelte Individuum betreffen. Hier gehe ein hoher Patientennutzen mit ökonomischen Wertschöpfungspotenzialen einher. Um diese heben zu können, bedürfe es weiterer großer Fortschritte sowohl in der Forschung als auch im Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung. Neben dem Einsatz von CRISPR/Cas für medizinische Zwecke komme die Gen-Schere auch in der Landwirtschaft und in industriellen Anwendungen zum Einsatz; die EFI habe sich zunächst nur auf die Medizin konzentriert.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) bei der virtuellen Übergabe des Jahresgutachtens an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Foto: David Ausserhofer

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) bei der virtuellen Übergabe des Jahresgutachtens an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Foto: David Ausserhofer

„Mit Hilfe von CRISPR/Cas können Gene verändert, aus- oder angeschaltet werden. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, Erbkrankheiten zu behan-deln, die Millionen Menschen betreffen. Die Forschung schreibt CRISPR/Cas ein hohes Potenzial zu, weil es die Gen-Editierung vereinfacht und so den Kreis der Forschenden sowie die Anwendungsgebiete enorm vergrößert“, hebt Prof. Irene Bertschek vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsforschung in Mannheim hervor. Dies führe zu einer starken Zunahme der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE) in Zusammenhang mit CRISPR/Cas. Dabei gälten die meisten derzeitigen Entwicklungsarbeiten zu medizinischen Anwendungen von CRISPR/Cas als ethisch unbedenklich.

Transparenz und öffentliche Bewusstseinsbildung sind von enormer Bedeutung. Die Menschen sollten diesen Entwicklungen informiert und offen begegnen können. Ich bin mir sicher, dass so auch die Faszination für Wissenschaft in der Gesellschaft enorm gestärkt wird.“

Prof. Dr. Carolin Häussler, Universität Passau

Die EFI empfiehlt der Bundesregierung die folgenden Maßnahmen:

  • Genehmigungsverfahren beschleunigen: Alle Genehmigungsverfahren rund um CRISPR/Cas und klinische Studien hierzu müssten – „immer unter der Maxime der Wahrung von Sicherheit und ethischer Vertretbarkeit“ – so gestaltet werden, dass der administrative Aufwand für Forscherinnen und Forscher reduziert wird. Es sollte ermöglicht werden, miteinander verwandte Anträge und Genehmigungsverfahren zu bündeln. Darüber hinaus ist anzustreben, Genehmigungsverfahren über Bundesländer hinweg zu harmonisieren und „frühzeitig auch den Personalbestand innerhalb der Genehmigungsbehörden anzu-passen“, so Prof. Dr. Häussler.
     
  • Spitzenforschung in CRISPR/Cas stärken: Um die Spitzenforschung bei CRISPR/Cas zu stärken, sollten einige Leuchtturmprojekte an international wettbewerbsfähigen deutschen Standorten ausgebaut oder neu geschaffen werden. Bei diesen Leuchtturmprojekten sollte insbesondere die Überführung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die medizinische Anwendung einen hohen Stellenwert erhalten.
     
  • Überführung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis verstärken: Nach Erkenntnissen der EFI nimmt Deutschland international in der Forschung zu CRISPR/Cas zwar einen vorderen Platz ein, „fällt aber deutlich zurück, wenn es um den Transfer in die Anwendung und die Kommerzialisierung geht“, so Prof. Bertschek. Unbedingt sollten Kooperationen und Arbeitsgruppen initiiert und gefördert werden, die durch eine frühe Interaktion zwischen Forschung und klinischer Praxis die Über-führung in die Anwendung unterstützen und Innovationen hervorbringen. Für die Beratung der Forschenden und ihre Vernetzung empfiehlt die EFI, die Einrichtung eines Deutschen Gentherapiezentrums zu diskutieren, das die Rolle eines Kompetenzzentrums für die Überführung von der Grundlagenforschung und präklinischen Forschung in die klinische Anwendung einnehmen könnte.
     
  • Rahmenbedingungen für Bereitstellung von Wagniskapital verbessern: Die langen Forschungs- und Entwicklungszyklen in der medizinischen Biotechnologie gehen mit einem enormen Finanzierungsbedarf und hohem Risiko einher. Die EFI mahnt erneut an, die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von privatem Wagnis- und Wachstumskapital zu verbessern. Sie begrüßt in diesem Zusammenhang die Einrichtung des „Zukunftsfonds“, der sowohl bahnbrechende Technologien, speziell im Bereich der Biotechnologie, als auch große Finanzierungsrunden für Start-ups und deren Skalierung unterstützen soll. „Wir fordern dessen möglichst rasche Umsetzung“, so Prof. Uwe Cantner von der Universität Jena und Vorsitzender der EFI.
     
  • Information der Gesellschaft fördern: Die EFI hält es für sehr wichtig, die Gesellschaft regelmäßig über die mit CRISPR/Cas verbundenen Potenziale und Risiken zu informieren und die gesellschaftlichen Diskussionen dazu weiterhin zu führen. Prof. Dr. Häussler abschließend: „Transparenz und öffentliche Bewusstseinsbildung sind von enormer Bedeutung. Die Menschen sollten diesen Entwicklungen informiert und offen begegnen können. Ich bin mir sicher, dass so auch die Faszination für Wissenschaft in der Gesellschaft enorm gestärkt wird.“

Quelle: EFI-Geschäftsstelle

Prof. Dr. Carolin Häussler

Prof. Dr. Carolin Häussler

forscht zu Zusammenarbeit und Innovation

Wie können wir die Innovationskraft fluider Organisationen nutzen und stärken?

Wie können wir die Innovationskraft fluider Organisationen nutzen und stärken?

Prof. Dr. Carolin Häussler ist seit 2011 Inhaberin des Lehrstuhls für Organisation, Technologiemanagement und Entrepreneurship und DFG-Vertrauensdozentin an der Universität Passau. Sie ist außerdem Projektleiterin im DFG-Graduiertenkolleg 2720: "Digital Platform Ecosystems (DPE)" an der Universität Passau. Sie ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung. Mit dem International Center for Economics and Business Studies lockt sie Forscherinnen und Forscher aus aller Welt nach Passau.


Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

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