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Zu Recht preisgekrönt: Christian Drosten als Vorbild für die Wissenschaftskommunikation

Für „herausragende Kommunikation in der Corona-Pandemie“ hat Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, einen einmaligen Sonderpreis im Rahmen der Communicator-Preisverleihung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbands erhalten. Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau, erklärt, warum sie diese Auszeichnung für gerechtfertigt hält. Interview: Rebecca Winkler, Wissenschaft im Dialog

Frau Schmid-Petri, der Virologe Christian Drosten hat einen Sonderpreis im Rahmen des Communicator-Preises erhalten. Wie bewerten Sie seine Art, Wissenschaft zu kommunizieren?

Ich finde auch, dass er sehr gut kommuniziert und zu Recht ausgezeichnet wurde. Es gelingt ihm gut, ein komplexes Problem sehr anschaulich, fundiert, sachlich und transparent zu erklären, ohne Unsicherheiten zu verschweigen. Ebenfalls sehr positiv finde ich, dass er nicht nur seine eigene Forschung präsentiert, sondern einen Überblick über den Forschungsstand insgesamt liefert. Damit gibt er eine wichtige Einordnung und leistet einen sehr zentralen Beitrag zur Kommunikation in der Zeit der Pandemie. Der Preis ist also vollkommen verdient.

Eine weitere wichtige Rolle, die Herr Drosten einnimmt, ist die als Berater der Politik.

Auch das macht er aus meiner Sicht sehr gut. Er zeigt die Grenzen der Wissenschaft auf und stellt ihre Rolle in der Gesellschaft heraus. Hier teile ich seine Sichtweise, dass die Wissenschaft kein demokratisches Mandat hat und keine politischen Entscheidungen treffen kann und sollte, sondern erstmal die faktische Basis erarbeitet. Das herauszustellen ist denke ich sehr wichtig.

Die Wissenschaft hat kein demokratisches Mandat und kann und sollte keine politischen Entscheidungen treffen. Sie erarbeitet hierfür die faktische Basis.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Universität Passau

Gibt es etwas, was man aus Herrn Drostens Art zu kommunizieren lernen kann – gerade mit Blick auf andere wissenschaftliche Themen, die es zu kommunizieren gilt, wie beispielsweise den Klimawandel?

Was sicherlich an dem Interesse an Drosten deutlich wird, ist die Bedeutung der Personalisierung in solchen Phasen und bei solchen Themen. Das hat man bei Greta Thunberg im Bereich des Klimawandels gesehen und auch Herr Drosten wird als Person ja sehr stark in seiner Rolle aufgebaut. Das hängt vor allem auch mit der Medienlogik zusammen, die eine starke Personalisierung immer bevorzugt. Das hat positive und negative Seiten, aber es ist auf jeden Fall ein Phänomen, was immer wieder auftritt.

Gerade deshalb finde ich es besonders gut und wichtig, dass Herr Drosten eben auch den Forschungsstand einordnet und nicht nur über seine eigene Forschung spricht. Damit wirkt er dem Personenkult indirekt entgegen und es wird zumindest ein Stück weit verhindert, dass eine unüberschaubare Zahl an Einzelmeinungen und Einzelergebnissen kommuniziert wird. Das ist gerade in Phasen großer Unsicherheit wichtig, denn hier suchen Menschen nach Orientierung, nach glaubwürdigen Informationen und eben auch nach vertrauensvollen Informationsquellen. Herr Drosten ist eine solche, da er ja einer der herausragenden Forscher auf seinem Gebiet ist und dazu noch sehr gut kommuniziert. Ebenfalls wird die Bedeutung von Qualitätsjournalismus in einer solchen Phase mal wieder klar, denn auf diesen kommt es gerade im Bereich der Einordnung an.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri

forscht zu öffentlichen Debatten - online wie offline

Wie werden Themen der Digitalisierung öffentlich diskutiert und welche Folgen hat das für politische Prozesse?

Wie werden Themen der Digitalisierung öffentlich diskutiert und welche Folgen hat das für politische Prozesse?

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau und leitet die Fraunhofer-Forschungsgruppe „Wissenschaftskommunikation“, die in dem Fraunhofer-Cluster of Excellence „Integrated Energy Systems“ CINES angesiedelt ist. Außerdem ist sie Projektleiterin im DFG-Graduiertenkolleg 2720. Sie analysiert öffentliche Diskussionen zu politischen Themen wie beispielsweise zu Digitalisierung oder zum Klimawandel.

Herr Drosten nutzt nicht nur die klassischen Medien, sondern ist beispielsweise auch auf Twitter sehr aktiv. Wie wichtig ist es, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch in diesen Medien aktiv sind?

Ich finde es prinzipiell gut und wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in sozialen Medien aktiv sind und den Dialog suchen. Man ist in diesen Medien allerdings sehr viel angreifbarer als in einem Zeitungsartikel oder einem Radiointerview und ich denke, diese Erfahrung macht beispielsweise Herr Drosten derzeit auch. Das erleben viele Personen, die sich in die Öffentlichkeit begeben. Ich denke aber trotzdem, dass sich Expertinnen und Experten dort äußern und sich dem Austausch stellen sollten.

Langfristig kann und wird diese Art der Kommunikation hoffentlich zu einem größeren Verständnis von Wissenschaft in der Bevölkerung und einem größeren Vertrauen in die Wissenschaft führen. 

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri, Universität Passau

Glauben Sie denn, dass die aktuelle Art und Weise zu kommunizieren langfristig etwas an der Wissenschaftskommunikation verändert?

Ich denke und hoffe, dass der Wissenschaftsjournalismus vielleicht davon profitiert. Dessen Bedeutung wird ja derzeit sehr deutlich und vielleicht schlägt sich dies ja in neuen Förderkonzepten wieder. Eine weitere Entwicklung, die ich positiv finde und von der ich denke und hoffe, dass sie anhält, ist, dass derzeit viel Kommunikation über Prozesse und Methoden der Wissenschaft stattfindet. Nur selten zuvor wurde so viel über die Funktionsweise wissenschaftlicher Publikationen oder auch Methoden berichtet wie jetzt gerade. Langfristig kann und wird diese Art der Kommunikation hoffentlich zu einem größeren Verständnis von Wissenschaft in der Bevölkerung und einem größeren Vertrauen in die Wissenschaft führen. Auch denke ich, dass man aus seinem Verständnis des Zusammenspiels von Politik und Wissenschaft etwas für die Zukunft lernen kann. Diesen Diskurs brauchen wir und es gibt auch Menschen, die anderer Meinung sind als Herr Drosten und ich, aber ich finde die Debatte darum sehr wichtig. Insgesamt erfährt die Wissenschaftskommunikation – auch durch die Krise – einen weiteren Aufschwung und dadurch vielleicht auch langfristig noch mehr Anerkennung.

 

Das Interview erschien auf dem Portal Wissenschaftskommunikation.de – zur Originalversion

Bild: Peitz / Charité

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