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Gastforscherin aus Weißrussland: "Neues Wissen verbreiten"

Zhanna Nekrashevich-Karotkaja, Professorin für Literaturwissenschaft in Minsk, war als Stipendiatin der Alexander von Humboldt Stiftung zu Gast an der Universität Passau. Im Gespräch erklärt sie, warum das in ihrem Land etwas Besonderes ist und was sie aus ihrer Zeit in Passau mitnimmt.

Zu Gast an der Universität Passau: Prof. Dr. Zhanna Nekrashevich-Karotkaja

Die Gastwissenschaftlerin Prof. Dr. Zhanna Nekrashevich-Karotkaja berichtet im Interview über ihre Zeit an der Universität Passau.

Zhanna Nekrashevich-Karotkaja wurde 1972 in Minsk geboren. Sie hat an der Belarussischen Staatlichen Universität in Minsk Russische Philologie und Klassische Philologie studiert und dort später auch promoviert und habilitiert. Zu ihren Forschungsinteressen gehören unter anderem die lateinischen Werke in der Literatur des Großfürstentums Litauen aus Renaissance und Frühbarock sowie die polnisch- und weißrussischsprachige Literatur des 19. Jahrhunderts. Vom 10. September bis 8. Dezember 2018 war die Professorin zu Gast an der Universität Passau am Lehrstuhl für Slavische Literaturen und Kulturen von Prof. Dr. Dirk Uffelmann.

Warum haben Sie die Universität Passau für Ihr Stipendium ausgesucht?

Im April 2017 hatte ich bei einem „Monitoring und Contact Seminar between German and Belarussian Universities“ in Minsk die Wissenschaftlerin Dr. Marion Rutz aus Passau kennengelernt. Sie war mit meinen Arbeiten zur neulateinischen Literatur vertraut und schlug mir ein Treffen im Rahmen des Seminars vor. Wir merkten recht bald, dass es zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine vertiefende Zusammenarbeit gibt: Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die frühneuzeitliche Literatur aus dem polnisch-litauischen Doppelreich und sie hatte damals gerade ihr Habilitationsprojekt „Mehrsprachigkeit als textuelles Verfahren in den Literaturen des frühneuzeitlichen Großfürstentums Litauen“ begonnen. Zudem hatte ich Professor Dirk Uffelmann auf einer Tagung in Berlin kennengelernt. Als Experte für Literaturtheorie und kulturwissenschaftliche Fragestellungen, der in seiner Forschung aktuellste internationale Forschungsparadigmen berücksichtigt, hat er mich dabei unterstützt, innovative Ansätze in meine Arbeit zu integrieren. Wichtig war für mich außerdem, dass 2017 ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Belarussischen Staatlichen Universität und der Universität Passau abgeschlossen wurde, das zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten ermöglichte.

Woran haben Sie in Ihrer Zeit an der Universität Passau geforscht?

Ich habe vor allem neue Forschungsliteratur studiert und an meiner Monografie „Das poetische Schaffen von Johannes Mylius Libenrodensis: humanistische Katechese, Bildung und Kulturtransfer in der Reformationszeit“ geschrieben. Außerdem habe ich einige Gastvorträge vorbereitet und gemeinsam mit Dr. Rutz das Konzept und Programm für einen internationalen Workshop ausgearbeitet. Dies ist für mich der erste Workshop im Ausland, den ich mitorganisiere. Umso mehr haben wir uns gefreut, als wir erfahren haben, dass wir dafür eine Finanzierung durch die Fritz Thyssen Stiftung bekommen.

Mir ist sofort aufgefallen, dass Studierende und Dozierende sehr gut vernetzt sind. Generell ist Vernetzung ein großes Thema an der Uni.

Prof. Dr. Zhanna Nekrashevich-Karotkaja

Welchen Eindruck von der Universität Passau haben Sie?

Mir ist sofort aufgefallen, dass Studierende und Dozierende sehr gut vernetzt sind. Generell ist Vernetzung ein großes Thema an der Uni. Dass es eine Campus-Universität ist, bei der alle Gebäude auf einem Gelände stehen, fand ich unglaublich praktisch. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Universitätsleitung großen Wert auf eine gute Infrastruktur für Studium und Forschungsarbeit legt: Es stehen allen Geräte wie Kopierer, Scanner, Drucker zur Verfügung. Zu jeder Tages- und bei Bedarf auch Nachtzeit kann man im Büro arbeiten. Ich habe persönlich sehr stark von dem guten Zugang zur Forschungsliteratur profitiert: Da in der Geisteswissenschaft seit vielen Jahren zur Frühen Neuzeit in Ostmittel- und Osteuropa, zu Kulturkontakten und Verflechtungen geforscht wird, ist die Universitätsbibliothek auf dem aktuellsten Stand der Forschung. Eine große Hilfe war für mich zudem das Welcome Center.

Welche Erfahrungen nehmen Sie aus Passau mit in Ihre Heimat?

Während ich bei früheren Aufenthalten im Rahmen des Alexander-von-Humboldt-Stipendiums vor allem im Austausch mit anderen Slavistinnen und Slavisten gestanden hatte, habe ich dieses Mal ganz bewusst auch interdisziplinäre Kontakte aufgebaut, wie zum Beispiel zu dem Osteuropaforscher Professor Thomas Wünsch und der Literaturwissenschaftlerin Professorin Andrea Sieber. Meine Erfahrungen zeigen, dass viele westliche kulturwissenschaftliche Ideen und Perspektiven, sogar diejenigen, die genau den heutigen belarussischen Kulturraum, seine Identitätsspezifik und seinen literarischen Kontext beschreiben und problematisieren, in meinem Land selbst weitgehend unbekannt bleiben. Die Schwächung der wissenschaftlichen Kontakte in der postsowjetischen Zeit hat dazu geführt, dass Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Weißrussland heute häufig schlecht über aktuelle wissenschaftliche Tendenzen in Westeuropa informiert sind. Aufgrund der spezifischen politischen Situation Weißrusslands beschränken sich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf internationale Tagungen, die in den Ländern Ost- und des östlichen Mitteleuropas stattfinden. Was die ältere belarussische Literatur angeht, gibt es daher zwischen deutschen und weißrussischen Literaturwissenschaftlern praktisch keinen Austausch. Als meine wichtigste Aufgabe betrachte ich es deshalb, in meinen Lehrveranstaltungen an der Universität in Minsk sowie bei anderen wissenschaftlichen Aktivitäten neues Wissen über den aktuellen Stand der Kultur- und Literaturwissenschaft sowie der Osteuropaforschungen der deutschen Kolleginnen und Kollegen in meinem Heimatland zu verbreiten.

Über Prof. Dr. Dirk Uffelmann

"Eine wunderbare Erfahrung"

Die Programme der renommierten Alexander von Humboldt Stiftung fördern den Austausch zwischen exzellenten ausländischen und deutschen Forscherinnen und Forschern. Mindy Nunez Duffourc aus den USA (im Bild), Asankha Pallegedara aus Sri Lanka und Navid Noroozi aus Iran waren 2017 zu Gast an der Universität Passau und berichten von ihrer Zeit

Foto der Gastwissenschaftlerin Mindy Nunez Duffourc aus den USA

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