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3D-Datensatz aus dem Inneren einer peruanischen Mumie

Forschende des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS haben im Rahmen des Forschungsprojekts „Big Picture“ eine Mumie mittels 3D-Röntgencomputertomographie (CT) untersucht. Mit diesem riesigen Bilddatensatz demonstrieren sie ihre Forschungsfortschritte. Beteiligt sind auch Wissenschaftler der Universität Passau.

Im Projekt Big Picture beschäftigen sich die Forschenden des Fraunhofer IIS mit der Digitalisierung dreidimensionaler Objekte mit hoher Genauigkeit. Um die Fortschritte der Forschungsarbeiten im seit Februar 2018 laufenden Projekt zu demonstrieren, haben sie eine vermutlich aus der Zeit der späten Zwischenperiode (11.-15. Jh. n. Chr. ) stammende Mumie aus der Sammlung des Linden-Museums Stuttgart mittels 3D-CT untersucht.

„Die untersuchte Mumie war das perfekte Scanobjekt, mit der wir eine Win-Win-Situation geschaffen haben. Wir haben einen riesigen Datensatz erhalten, mit dem wir unsere Bildverarbeitungsmethoden erproben und weiter verbessern können. Das Linden-Museum erhält im Gegenzug wertvolle Daten, mit denen die Geschichte der Mumie weiterführend erforscht werden kann“, erklärt Prof. Tomas Sauer, Leiter der Gruppe Wissensbasierte Bildverarbeitung des Fraunhofer EZRT und Lehrstuhlinhaber für Mathematik mit Schwerpunkt Digitale Bildverarbeitung an der Universität Passau.

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Verarbeitung riesiger Datenmengen

Moderne Messsysteme erzeugen zunehmend große und hochkomplexe Datenmengen, die gespeichert, verarbeitet und in verwertbare Informationen umgewandelt werden müssen. Während die reine Speicherung heutzutage weitgehend unproblematisch und lediglich eine Frage des Aufwands ist, ist die Verarbeitung und Verwertung eine große Herausforderung. Im Projekt Big Picture wird eben diese Problematik erforscht: An den Fraunhofer-Standorten Fürth, Deggendorf und Passau arbeitet ein 10-köpfiges Team unter anderem an fortschrittlichen Bildverarbeitungsmethoden, um die riesigen Bilddaten nutzbar zu machen. Mit den eigens entwickelten Softwaretools sind die Forscher beispielsweise in der Lage, Bildbereiche aus einem großen Datensatz zu segmentieren, also gezielt in kleinere ausgewählte Bereiche aufzuteilen. Zudem spielen Komprimierungsmethoden eine zentrale Rolle: Mit neu entwickelter Software lässt sich der hochauflösende Datensatz der Mumie mit einem handelsüblichen Notebook betrachten und analysieren – bislang waren hierfür sehr teure und leistungsstarke Industriecomputer notwendig.

Dreidimensionales Röntgenbild von dem Schädel einer vermeintlich aus Peru stammenden Mumie und einem Maiskolben, der sich direkt vor dem Schädel befindet. Foto: Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen

Auch das Geheimnis hinter der Ausbuchtung in der Mitte des Kopfbereichs wurde gelüftet. Foto: Fraunhofer IIS

Ein Maiskolben als Nase

Was sich genau hinter den Dutzenden Lagen von Baumwolltüchern befindet, war bis zum CT-Scan mit Ausnahme des groben Alters und der Herkunft der Mumie nicht klar. Nach einer ersten Sichtung der Daten konnten die Forscher bestätigen, dass es sich offenbar um eine Person in Hockstellung handelt, die ihre Arme vor den Beinen verschränkt. Zahlreiche Grabbeigaben wie beispielsweise Muscheln und Armbänder konnten im Datensatz identifiziert werden. Auch das Geheimnis hinter der Ausbuchtung in der Mitte des Kopfbereichs wurde gelüftet: Es handelt sich offenbar um einen Maiskolben, der sich in einem hervorragenden Zustand befindet.

„Die Mumie stammt sehr wahrscheinlich von der Zentral- oder Südküste Perus. Nur dort ist es trocken genug, dass sich organisches Material so gut erhält. Die Jenseitsvorstellungen im Alten Peru waren sehr ‚konkret‘, das bedeutet, dass man sich das Jenseits wie das Diesseits vorstellte. Nahrungsmittel und Kleidung waren daher häufige Grabbeigaben. Der zum Ahnen gewordene Verstorbene musste auch im Jenseits ernährt und gekleidet werden. Wir hoffen, durch die genauere Bestimmung der Grabbeigaben zu einer präziseren Datierung der Mumie zu kommen, ohne sie dabei beschädigen zu müssen“, erklärt Dr. Doris Kurella, verantwortlich für das Fachreferat Latein- und Nordamerika am Lindenmuseum.

Nicht nur Museen profitieren

Im Rahmen von vorangegangenen Forschungs- und Industrieprojekten wurden mehrere Referenzanwendungen identifiziert, die einen hohen wirtschaftlichen Nutzen aufweisen. Die Inhalte des Projekts Big Picture wurden so konzipiert, dass insbesondere die Anforderungen der bayerischen Industriepartner adressiert werden. Beispielsweise sind die Sensorik und Bildverarbeitung für hochaufgelöste Messtechnik mittels Inline-Computertomographie an großformatigen, sicherheitsrelevanten Gussbauteilen für die Automobilindustrie unverzichtbar: Diese Technologie ermöglicht die produktionsintegrierte hundertprozentige Kontrolle von sicherheitsrelevanten Bauteilen wie beispielsweise Zylinderköpfen und sorgt so für einwandfreie Produktqualität und -sicherheit. Im Rahmen von Big Picture sollen Lösungen entwickelt werden, die die Anwendbarkeit dieser Technologie erheblich verbessern.

Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen ist eine weltweit führende anwendungsorientierte Forschungseinrichtung für mikroelektronische und informationstechnische Systemlösungen und Dienstleistungen. Es ist heute das größte Institut in der Fraunhofer-Gesellschaft. Die Forschung am Fraunhofer IIS orientiert sich an den Leitthemen „Audio und Medientechnologien“ sowie „kognitive Sensorik“.

Professor Doktor Tomas Sauer und sein Team analysieren gemeinsam mit Doktor Doris Kurella vom Linden-Museum Stuttgart die computertomografischen Aufnahmen der mehr als 1.000 Jahre alten peruanischen Mumie aus dem Linden-Museum.

Fraunhofer-Forschungsvorhaben "Big Picture": Die Vermessung der Datenriesen

Bei der Digitalisierung dreidimensionaler Objekte mit großer Genauigkeit entstehen Bilddateien in bislang unbekannten Größendimensionen. Mit klassischer digitaler Bildverarbeitung lassen sich diese riesigen, hochkomplexen Datenmengen nicht mehr bewältigen.

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