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Data Sharing: Im Zweifel profitieren Facebook & Co.

Social Logins, Fulfillment by Amazon, Googles News-Dienst: Ein Autoren-Team der Universität Passau nimmt vermeintliche Service-Angebote der großen Plattformen unter die Lupe. Was zunächst gut klingt, könnte langfristig zum Risiko werden. 

Die gute Nachricht zuerst: Nutzerinnen und Nutzer profitieren immer von den zusätzlichen Diensten, zumindest dann, wenn ihnen der Komfort wichtiger ist als der Datenschutz. Die schlechte Nachricht für Betreiberinnen und -Betreiber von Webseiten, die sich auf solche Angebote einlassen: In vielen Fällen stellen sie sich dadurch langfristig schlechter. Sie landen in einem Data-Sharing-Dilemma, wie die Wirtschaftsinformatiker Professor Jan Krämer, Dr. Daniel Schnurr und Dr. Michael Wohlfarth der Universität Passau ihre Erkenntnisse in einem Beitrag für die MIT Sloan Management Review zusammenfassen.

Die Forscher zeigen auf, dass viele populäre Dienstangebote, die große Plattformen an kleinere Webseitenbetreiber oder Händler machen, insbesondere dazu genutzt werden können, um an mehr wettbewerbsrelevante Daten zu gelangen. Obwohl diese Dienste attraktiv für die Nutzer sind, müssen die Webseiten in der Folge mehr Informationen über ihre Nutzerinnen und Nutzer teilen, was in der Folge die Wettbewerbsposition der Webseiten gegenüber der Plattform schwächt und ein entsprechendes Dilemma hervorruft.

Unter anderem folgende Dienstangebote von großen Online-Plattformen haben nach Einschätzung der Forschung das Potenzial, ein Data-Sharing-Dilemma hervorzurufen:

  • Facebooks Social Login: Social Logins sind eine Alternative und Ergänzung zu klassischen Registrierungssystemen auf einer Webseite. Der populärste Social Login wird heute von Facebook angeboten. Das ist bequem für Nutzerinnen und –Nutzer, denn sie können sich einfach mit Hilfe ihres bestehenden Accounts anmelden und ersparen sich damit eine neue Registrierung. Zugleich können die Webseite und das Netzwerk Daten austauschen. Der Haken: Davon profitiert im Zweifel nur eine Seite, nämlich Facebook. Das Resultat: Je stärker der Wettbewerb zwischen Webseiten-Betreibenden, desto wahrscheinlicher landen diese in einem Data-Sharing-Dilemma. Die Implementierung eines Social-Logins ist also trotz einer Verbesserung des eigenen Dienstes und der Platzierung effektiverer Werbung in vielen Fällen letztlich nicht profitabel, da Facebook noch mehr von dem Datenaustausch profitiert.
  • Googles Accelerated Mobile Pages: Der Turbo-News-Dienst AMP von Google klingt für Nutzerinnen und Nutzer sowie Webseiten-Betreibende gleichermaßen verlockend, denn er verspricht Usern einen schnellen Aufruf der (Nachrichten-)Seite sowie den Anbieterinnen und Anbietern eine äußerst prominente Platzierung, und zwar im Karussell auf der ersten Such-Seite. Der Haken: Um AMP nutzen zu können müssen die Webseiten-Betreibenden ein Google-Script auf ihrer Webseite einbinden. Google erhält dadurch Zugang zu den Verbindungsdaten; die Inhalte der Webseite werden auf Google Servern zwischengespeichert. Wenn Nutzerinnen und Nutzer die Inhalte anklicken, landen sie bei Google und nicht mehr auf der jeweiligen Nachrichtenseite. Darüber hinaus schränkt AMP die Werbemöglichkeiten der Nachrichtenseite und deren Messinstrumente ein. Das Resultat: Für Nutzerinnen und Nutzer ist AMP toll. Für Webseiten-Betreibende prognostizieren Krämer, Schnurr und Wohlfarth stets ein Dilemma – und zwar ohne die Möglichkeit, diesem zu entkommen, wenn Betreibende sich exklusiv durch Werbeeinnahmen finanzieren. 
     
  • Fulfillment by Amazon: Amazon bietet einen vermeintlichen Rundum-Sorglos-Service an, der es Online-Händlerinnen und -Händlern erlaubt, die komplette Versandabwicklung an Amazon auszulagern. Dieser Dienst ist insbesondere für kleinere Unternehmen attraktiv, da keine eigene Lagerhaltung oder Logistiksysteme benötigt werden. Diese können somit schnell und unkompliziert Produkte verkaufen. Die physische Abwicklung erfolgt vollständig durch Amazon. Auch auf Marktplätzen wie Ebay lässt sich diese Dienstleistung einbinden. Der Haken: Amazon erhält dadurch außerhalb der eigenen Plattform wertvolle Einblicke in die Geschäfte der Online-Händlerinnen und -Händler, die Herkunft der Produkte etwa, die Beliebtheit bei der Kundschaft, sowie Informationen über die Kundinnen und Kunden, die diese Produkte gekauft haben. Das Resultat: Amazon profitiert, externe Händlerinnen und Händler hingegen müssen sich Sorgen machen, wenn Amazon künftig die beliebtesten Produkte selbst anbietet und die Empfehlungen der Kundschaft ins eigene System einspeist.
Whiteboard mit theoretischen Gedankenmodellen zu den Effekten von Social Logins und anderen Diensten der großen Plattformen

Whiteboard mit Skizzen zu den theoretischen Gedankenmodellen, die die Forscher in ihrer Studie entwerfen.

„Strategische Herausforderung im digitalen Ökosystem“

Besonders attraktiv erscheinen all diese Dienste für kleine Organisationen und Startups, schreiben die Passauer Forscher. Denn diese versprechen sich von den Angeboten einen großen Wettbewerbsvorteil. Allerdings sei dieser nur von kurzer Dauer, solange eben, bis die anderen nachziehen.

„Unsere Erkenntnisse deuten auf eine strategische Herausforderung im heutigen digitalen Ökosystem“, schreiben die Autoren. „Unsere Forschung zeigt, dass Anbietende von Online-Content und -Dienstleistungen Abhängigkeit und Ausbeutung riskieren, wenn sie die Data-Sharing-Dienste nutzen.“

Die Forscher zeigen in dem Beitrag auch Wege auf, wie sich die Risiken womöglich schmälern lassen: Unter anderem raten sie den Webseiten-Betreibenden dazu, sich mit Konkurrentinnen und Konkurrenten zusammenzuschließen – „anstatt die Macht der Online-Giganten weiter zu stärken“. Zwar gibt es solche Ansätze, wie beispielsweise OpenID. Diese sind allerdings nur einem Nischenpublikum bekannt. Die Autoren sehen in der Blockchain-Technologie eine neue Möglichkeit, „um das Konzept einer dezentralen Login-Struktur neu zu beleben“.

Über die Autoren

Prof. Dr. Jan Krämer

Prof. Dr. Jan Krämer

forscht zur Plattform-Ökonomie und zur Regulierung des Internets

Welche Rahmenbedingungen schaffen Wettbewerb und Innovation im Internet?

Welche Rahmenbedingungen schaffen Wettbewerb und Innovation im Internet?

Prof. Dr. Jan Krämer ist Inhaber des Lehrstuhls für Internet- und Telekommunikationswirtschaft und Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs 2720: "Digital Platform Ecosystems (DPE)" an der Universität Passau. Er ist zudem Joint Academic Director am „Centre on Regulation in Europe“ (CERRE), einem Think Tank mit Sitz in Brüssel. 

Prof. Dr. Jan Krämer ist seit 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Internet- und Telekommunikationswirtschaft an der Universität Passau. Er ist zudem Research Fellow am „Centre on Regulation in Europe“ (CERRE), einem Think Tank mit Sitz in Brüssel. Zuvor leitete er die Forschungsgruppe „Telecommunications Markets“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).  

Dr. Daniel Schnurr leitet die vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst im Rahmen des Zentrum.Digitalisierung Bayern (ZD.B) geförderte Forschungsgruppe Data Policies an der Universität Passau. Diese kooperiert eng mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Internet- und Telekommunikationswirtschaft von Prof. Dr. Krämer.

Dr. Michael Wohlfarth ist ehemaliger Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internet- und Telekommunikationswirtschaft an der Universität Passau. Er promovierte zum Thema "Data as a Competitive Resource“.

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